Streik in Cochabamba

Bolivien: Gewerkschaften brechen mit Linksregierung

  • Sebastian Hachmeyer, La Paz
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit Wochen demonstrieren Gewerkschaften in Bolivien für die Aufhebung des Schließungsbeschlusses für die staatliche Textilfabrik Enatex. Die Regierung jedoch zeigt Härte.

Die »Central Obrera Boliviana (COB)« hat am vergangenen Mittwoch zu einer mittlerweile dritten Streikrunde über 72 Stunden aufgerufen. Grund für den bolivianischen Gewerkschaftsverband, der insgesamt rund zwei Millionen Mitglieder aus verschiedenen Industriezweigen und dem öffentlichen Dienst vertritt, ist die Schließung der staatlichen Texilfirma Enatex per Dekret vom 14. Mai. 800 Arbeiter, die sich bereits damals heftige Auseinandersetzungen mit der Polizei in der Hauptstadt La Paz lieferten, wurden daraufhin entlassen.

Vergangene Woche rief die COB sogar zum ersten Generalstreik seit neun Jahren auf. Der ersten 24-stündigen Streikrunde am Montag folgte am Donnerstag die Fortsetzung. Vorausgegangen waren erfolglose Verhandlungen zwischen der Gewerkschaft und einigen Ministern, welche von der COB als »Zeitverlust« gedeutet wurden.

Die Regierung rechtfertigt Schließung und Umstrukturierung damit, dass die Firma schon seit langem Verluste mache und nicht rentabel sei. »Es geht nicht nur um die Schließung von Enatex, sondern um Gefahren für die Arbeitsplatzsicherheit insgesamt, die in letzter Zeit von der Regierung ausgehen«, verteidigte der Chef der COB, Guido Mitma, den Aufruf zu einem Generalstreik, in dem die Annullierung des »neoliberalen Dekrets« gefordert wird.

»Ich finde, der Generalstreik ist ein wenig übertrieben im Ausmaß, aber notwenig, da du nichts bekommst, sofern du die Regierung nur darum bittest. Sie muss aber merken, dass sie für die Bevölkerung arbeitet und nicht für sich selbst«, sagte eine junge Studentin, die sich am Streik beteiligte.

In La Paz merkte man indes wenig von dem Ausstand. Der Verkehr lief normal. Es gab keine großen Unruhen in der Hauptstadt, aber vereinzelte Gruppen von Arbeitern demonstrierten. Es schlossen sich ebenfalls Menschen mit Behinderung an, die nach einem 380 Kilometer langen, zweimonatigen Protestmarsch für eine monatliche Mindestrente von 500 Bolivianos (ca. 65 Euro) derzeit in La Paz auf der Straße campieren.

In Cochabamba, der zweitgrößten Stadt des Landes, sah das Bild ganz anders aus. Hier räumte die Polizei mit Gewalt die Blockade der Hauptverkehrsstraße in Richtung La Paz. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen mit den Protestlern der COB - es gab mehr als 30 Festnahmen sowie mehrere Verletzte.

COB-Generalsekretär Mitma, ein ehemaliger Minenarbeiter, sprach öffentlich von einem »Bruch des jahrelangen Paktes« zwischen der Regierung und der Gewerkschaft. Nach und nach reihe sich Präsident Evo Morales trotz positiver Errungenschaften in der Anfangszeit in die Diktatorenliste Boliviens ein. Wirtschaftsminister Luis Arce schoss zurück und drohte, die Streiks könnten negative Auswirkungen auf das Weihnachtsgeld haben. Dieses hänge von der Wirtschaftsentwicklung des Landes ab, welche durch Streiks schlechter ausfalle. Morales selbst dementierte aber diese Aussage des Ministers und redete das Ausmaß des Generalstreiks klein.

Die COB hat bereits angekündigt, nach einer Bewertung der dritten Streikrunde am Montag in einen neuen unbefristeten Ausstand zu treten. Es sei denn, die Regierung lasse sich endlich auf die Forderungen der Textilarbeiter ein.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.