Woher kamen die Daten zur «Rigaer94»?
Sven Liebich betreibt den rechten Blog «Halle-leaks»
Der Vorfall ist mittlerweile 15 Jahre her. Im November 2001 kamen in Halle (Saale) in Sachsen-Anhalt etwa 15 Antifaschisten zusammen, um gegen das Neonazi-Geschäft «The Last Resort» zu protestieren - begleitet von der Polizei. Eineinhalb Stunden lang blieb alles friedlich, dann aber soll Unfassbares passiert sein: «Während von der Polizei nichts mehr zu sehen war, hielten neben den Antifas mehrere Autos, aus denen circa 20 bis 25 Neonazis sprangen», ist im «antifainfoblatt» zu lesen. Die Betroffenen seien von den Angreifern eingekreist und mit Knüppeln und Ketten angegriffen worden.
Unter den Neonazis soll sich auch Sven Liebich, ehemaliger Aktivist des seit 2000 verbotenen, rechtsextremen Netzwerks «Blood & Honour» und heutiger Betreiber des rechtsextremen Blogs «Halle-leaks», befunden haben. «Die Situation gipfelte darin, dass ein weiteres Polizeifahrzeug vorfuhr, aus dem Liebich stieg, auf mehrere Personen zeigte und sie beschuldigte, ihn angegriffen zu haben, schreibt das »antifainfoblatt«.
Der Verdacht, dass hier Polizei und Neonazis gemeinsame Sache gemacht haben, ist also zumindest nicht ganz abwegig. Genau wie im aktuellen Fall: Auf »Halle-leaks« sind - teilweise geschwärzte - Namen von Bewohnern und Gästen des linken Hausprojekts »Rigaer94« in Berlin aufgetaucht. Wie die Polizei am Freitag bestätigte, handelt es sich um Daten aus vertraulichen Ermittlungsakten. Nun brüstet sich Liebich im Netz, er habe »die Identität und Herkunft von asozialen Kriminellen«, die dazu »Flüchtlingsgegner« seien, aufgedeckt. Und er selbst sei gar kein Nazi, sondern »überzeugter Linker«.
Das passt zur Strategie des Hallensers, der sich geläutert gibt. Laut eigenem Bekunden ist er 2003 aus der Neonazi-Szene ausgestiegen - und nutzt als angeblichen Beweis dafür jedes Mal denselben Artikel in der »Mitteldeutschen Zeitung«. Sogar Mitglied der LINKEN wollte Liebich angeblich werden und behauptet bis heute, dem Landesverband Sachsen anzugehören. Tatsächlich »ist der Eintritt aber nie erfolgreich abgeschlossen worden«, sagt Thomas Dudzak, Sprecher der sächsischen LINKEN: »Er hat einen Antrag gestellt, ist aber seinen satzungsmäßigen Pflichten nicht nachgekommen.« Dass er sich dem Landesverband Sachsen anschließen wollte, hat nach Ansicht von Dudzak den Grund, dass ihn dort niemand kenne. In Sachsen-Anhalt sei er jedoch bekannt wie ein bunter Hund.
Denn ein Linker ist Sven Liebich natürlich nicht. Auf seinem Blog wirbt er für das neurechte Compact-Magazin von Chefredakteur Jürgen Elsässer. Außerdem hetzt er in bester Montagsmahnwachen-Manier gegen Geflüchtete, den Staat und das System. Zuletzt war er dabei, als sogenannte »Wutbürger« und Neonazis im sächsischen Sebnitz Bundespräsident Joachim Gauck als »Volksverräter« beschimpften.
Nun stellen sich allerdings zwei Fragen: Wie kam Sven Liebich an die Daten zu dem linken Hausprojekt »Rigaer94« in Berlin überhaupt heran? Und warum gerade er? Ob Liebich Kontakte zu den Behörden hat, lässt sich nur vermuten. Sicher ist, dass der Hallenser seit den 1990er Jahren gut vernetzt ist.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.