Barbaren unter Haien

»Verräter wie wir«

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 3 Min.

In den letzten Wochen erfuhr Großbritannien eine Welle der Sympathie aus Resteuropa. Darunter war viel ehrlich gemeinte Solidarität, zum Teil verbarg sich hinter den warmen Worten aber auch Taktik, um die Briten vor ihrem EU-Referendum nicht vor den Kopf zu stoßen. Briten-Bashing und Arroganz gegenüber dortigen EU-Skeptikern verbieten sich nach der dramatischen Abstimmung umso mehr. Doch der Film »Verräter wie wir« nach einem späten Roman John le Carrés lenkt den Fokus auf britische Besonderheiten, die wenig bis nichts mit der EU-skeptischen Normalbevölkerung zu tun haben, und sehr wohl schärfste Kritik verdient hätten. Der EU-Austritt könnte nun dafür sorgen, dass die Kritik an der in der Londoner (Finanz-)City konzentrierten kriminellen Energie endlich auch im wahren Leben Folgen in Form von Gesetzen hat.

Denn (bislang völlig folgenlos) formuliert wird die Kritik längst laut und deutlich: Die britische Zeitung »Independent« schrieb gerade, dass »London die Welthauptstadt der Geldwäsche« sei. Der italienische Autor Roberto Saviano ergänzte, dass »Großbritannien das korrupteste Land der Welt« sei: »90 Prozent der Besitzer von Kapital in London haben ihre Hauptsitze offshore«, so Saviano. Dem »Guardian« sagte er kürzlich: »Das Bankensystem von London ist das Herz der globalen Finanzkorruption«. Und zu der kriminellen Geldwäsche kommen die krassen Verwerfungen der »ganz normalen« Finanzwirtschaft noch hinzu.

Im erwähnten Film ist der Schurke zunächst (natürlich!) - ein Russe: Dima (Stellan Skarsgård) ist ein stinkreiches Partytier, grob, sentimental und laut, wie der Russe im westlichen Spielfilm eben so ist. Er ist Buchhalter einer wahrhaft verrohten Clique russischer Barbaren. Doch die wollen Dima ans Leben, und so will er Infos über die Gangster an den britischen Geheimdienst verkaufen - als Gegenleistung für die Sicherheit seiner Familie. Als Kurier dient ihm der naive britische Professor Perry Makepeace (Ewan McGregor). Wie so oft bei John le Carré gerät auch hier ein Normalbürger zwischen die Fronten der Verschwörer.

Zwar beginnt der Film mit dem langweiligen Billig-Klischee des kulturlosen Russen. Er macht aber schnell deutlich, dass diese bärtigen und besoffenen Wilden im Vergleich zu den im Londoner Zentrum wildernden Finanzhaien nur kleine Süßwasserfische sind. Dimas (Ex-)Partner wollen ihr ergaunertes Vermögen in London waschen - ein Geschäftsmodell, ohne das zahlreiche britische (und wohl auch einige deutsche) Banken mutmaßlich Konkurs anmelden müssten. Der durchtriebene MI5-Agent Hector (Damian Lewis) spielt sein ganz eigenes Spiel und würde Dima sofort opfern. Er hat es aber auch durchaus auf die großen Tiere in Finanzindustrie und Politik abgesehen - aus welchen undurchsichtigen Motiven auch immer.

»Verräter wie wir« in der Regie von Susanna White ist unterhaltsam, zählt aber nicht zu den besten der zahlreichen John-le-Carré-Verfilmungen. Dazu ist die ganze Machart zu konventionell und sind die Motivationen vieler Figuren nicht nachvollziehbar genug.

Ab Donnerstag im Kino

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.