Armut bei Alleinerziehenden wächst
Studie: Lage von Kindern und Ein-Elternteil-Familien hat sich verschlechtert / Großes Problem: Hälfte der Alleinerziehenden erhält überhaupt keinen Unterhalt
Berlin. Den etwa 2,3 Millionen Kindern von Alleinerziehenden in Deutschland droht deutlich häufiger Armut als ihren Altersgenossen in Paarfamilien. Knapp eine Million Kinder wächst in einer Ein-Elternteil-Familie auf, die Hartz IV bezieht, wie eine am Mittwoch von der Bertelsmann-Stiftung veröffentlichte Studie ergab. Dennoch gibt es oft keinen oder nur unregelmäßigen Unterhalt für die Kinder von Alleinerziehenden. Die Stiftung fordert deshalb Neuregelungen beim Kindesunterhalt.
In den vergangenen Jahren verschlechterte sich laut Bertelsmann-Stiftung die Situation von Alleinerziehenden sogar. Im Jahr 2014 hätten 42 Prozent ein Einkommen gehabt, das weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens entsprach. Das seien 6,6 Prozentpunkte mehr als 2005. Bei Paarfamilien sei das Armutsrisiko dagegen im selben Zeitraum um 11,7 Prozent gesunken.
Insgesamt wachsen in Deutschland laut der Untersuchung 2,3 Millionen Kinder bei Alleinerziehenden auf, davon 89 Prozent bei der Mutter. Mehr als ein Drittel (37,6 Prozent) der Alleinerziehende bezog im Jahr 2015 Grundsicherungsleistungen. Bei Paarhaushalten mit minderjährigen Kinder ist der Anteil mit 7,3 Prozent fünf Mal kleiner.
Die Hälfte der Alleinerziehenden erhält laut der Studie trotzdem überhaupt keinen Unterhalt für ihre Kinder. Ein weiteres Viertel bekommt nur unregelmäßig Unterhalt oder weniger als den Mindestanspruch. Dies sei eine zentrale Ursache dafür, dass viele Ein-Elternteil-Familien nicht über die Armutsgrenze kämen.
»Kinderarmut ist ganz wesentlich auf die Armut von Alleinerziehenden zurückzuführen«, erklärte Stiftungsvorstand Jörg Dräger. Dagegen würden »gezielte Maßnahmen« gebraucht. Die Bertelsmann-Stiftung plädierte deshalb unter anderem dafür, dass der Staat bei fehlender Zahlungsfähigkeit der nicht betreuenden Elternteile für den Unterhalt aufkommen müsse. Die Hälfte aller Alleinerziehenden erhalte gar keinen, weitere 25 Prozent nur unregelmäßig oder zu wenig Geld vom unterhaltspflichtigem Elternteil. Der Staat springt dann über einen Vorschuss ein - allerdings nur sechs Jahre lang und nur für Kinder unter zwölf Jahren. »Das ist eine Regelung, die die Kinder überhaupt nicht im Blick hat«, kritisierte Antje Funcke. Auch brauche es bessere Mechanismen, um die Ansprüche auf Unterhalt durchzusetzen.
Das System des Unterhaltsvorschusses müsse »grundlegend reformiert« werden. Diesen Vorschuss erhalten Kinder im Alter von bis zu zwölf Jahren, wenn ein Elternteil keinen Unterhalt zahlt. Die Leistung gibt es aber nur maximal sechs Jahre. Wenn sich Eltern die Betreuung der Kinder nach einer Trennung teilen, sollte dies nach Ansicht der Stiftung zudem stärker bei den Hilfen berücksichtigt werden. Durch diese Teilung entstünden nämlich Mehrkosten wie zwei Kinderzimmer, doppelte Kleidung oder Bus- und Bahnfahrten. »Auch finanziell schwächeren Familien muss eine geteilte Sorge möglich sein«, erklärte die Bertelsmann-Stiftung. Agenturen/nd
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