Verfahren gegen Identitäre in Graz eingestellt

Nach Zusammenstoß zwischen Rechtsradikalen und Antifaschisten entscheidet der Richter: Kläger besitzen keine Glaubwürdigkeit / Verletzungen nicht zuzuordnen

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Fünf antirassistische Aktivisten hatten sich im Januar in Graz schützend vor eine Flüchtlingsunterkunft gestellt. Dafür wurden sie brutal von gewalttätigen Anhängern der sogenannten Identitären Bewegung angegriffen. »Wie aus dem Nichts« sollen die rechten Schläger die Antifaschisten auf ihrem Heimweg überfallen haben, berichtet die österreichische Zeitung »Der Standard«. Dabei sollen Schlagstöcke, Gürtelschnallen und Quarzhandschuhe zum Einsatz gekommen sein.

Den ganzen Angriff hat eine Aktivistin, die nach eigenen Angaben selber attackiert wurde, fotografisch dokumentiert. Deutlich ist auf den Bildern zu erkennen, wie die Rechten auf die unbewaffneten Aktivisten einschlugen.

Die Szenerie wirkt erschreckend. Doch trotz der Bilder, mehrerer Zeugenaussagen und ärztlicher Atteste stellte die Staatsanwaltschaft Graz das Verfahren gegen die Identitären am Dienstag ein. Als Gründe wurden laut dem »Standard« angeführt, die Antifaschisten besäßen keine »erhöhte Glaubwürdigkeit«, die Verletzungen seien »nicht zuordnenbar« und auch das Mitführen von einem Schlagstock sei keine Straftat, da es sich nicht um eine verbotene Waffe handeln würde.

Da die Identitären ebenfalls Anzeige gegen die angegriffenen Antifaschisten stellten, wurden diese auch als Beschuldigte geführt. Das Verfahren gegen alle zehn Betroffenen ist eingestellt worden.

Antifaschistische Gruppen aus Österreich geben der rechtspopulistischen Partei FPÖ eine Mitschuld an dem zunehmend gewaltvollen Auftreten der völkischen Bewegung. In einem Onlinebeitrag schreiben sie: »Durch die Normalisierung extrem rechter Positionen, welche die FPÖ erreicht hat, werden neonazistische Gruppen allgemein nicht als die Gefahr wahrgenommen, die sie wirklich sind, sondern sogar in das staatliche Fernsehen als normale Diskussionspartner zu Sendungen eingeladen.« Rassistische Mobilmachungen auf der Straße hätten ein nicht zu unterschätzendes Politisierungspotential, »das die Hemmschwelle zu tätlichen und gefährlichen Angriffen entscheidend herabsetzt.« Es gelte daher, »dem rassistischen Mob keine ruhige Minute zu geben, antifaschistische Strukturen — gerade in ländlichen Regionen — zu stärken und den gesellschaftlichen Rechtsruck in ganz Europa zu begegnen«.

Die Identitären – Alte Gedanken im neuen Gewand

»Mit Nazis haben wir nichts zu tun«: Ein vehementer Distanzierungsversuch, der von rechten Gruppierungen wie Pegida, der AfD und anderen Vertretern der sogenannten »Neuen Rechten« immer wieder betont wird. Auch die »Identitäre Bewegung« nimmt für sich in Anspruch, mit dem Konzept von Rasse und der Überhöhung beziehungsweise Abwertung einzelner Gruppen nichts gemein zu haben. Altnazis, Führerkultur und Rassenideologie? Für uns überlebte Vorstellungen der Vergangenheit, sagen die neuen Rechten. Heute treten diese mit der modernisiert klingenden Forderung auf, die »Vielfalt der Welt« bewahren zu wollen. Was im ersten Moment wie aus einem linken Diskurs abgekupfert klingt, steht wortgleich auf der Website von die »Identitäre Bewegung Deutschland«. Ein Verein, der es sich zum Ziel setzt, das Konzept der ursprünglich aus Frankreich stammenden »Génération Identitaire« hierzulande populär zu machen.

Das politische Manifest der »Identiären« ist schnell umrissen: Dem Konzept des »Ethnopluralismus« folgend, stehe jedem »Volk« sein fester »Raum« zu. Das heißt nichts anderes als »Frankreich den Franzosen«, »Deutschland den Deutschen« und »Spanien den Spaniern«. Wer allerdings konkret Teil eines Volkes ist, lassen die »Identitären« bewusst offen. In ihrer Selbstdarstellung heißt es nebulös, man wolle »die lokalen, regionalen, nationalen und europäischen Identitäten, Kulturen und Traditionen« erhalten. Ob diese Begrifflichkeiten in Wahrheit oft auch nur das Ergebnis eines permanenten Austausches von kulturellen Erfahrungen sind, fällt für die »Neuen Rechten« nicht ins Gewicht. Stattdessen beschwören die »Identitären« eine Gefahr von außen, warnen vor »Masseneinwanderung« und fordern deshalb eine »Festung Europa«.

Die genannten Stichworte dürften Hinweis genug sei, dass es sich bei den »Identitären« um keine ideologisch neue Strömung handelt, sondern vor allem um ein Projekt, das alte Ideen in neuer, aufwändig inszenierter Verpackung präsentiert.

Den vollständigen Artikel zur Analyse der Machenschaften, Ideologie und Verbindungen der Identitären finden Sie im Artikel Die Bewegungs-Nazis. jbr

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