Nach der Trennung droht Armut
Ein-Eltern-Familien sind besonders gefährdet
Nicht nur die Bertelsmann-Stiftung setzt sich in ihrer aktuellen Studie mit dem Problem auseinander. Auch der Armutskongress wird sich dem Thema widmen: Mit 42 Prozent haben die 1,64 Millionen Alleinerziehenden das höchste Armutsrisiko aller Familienformen - bei Paaren mit einem Kind liegt es bei knapp 10 Prozent. »Die Ursachen dafür sind struktureller Art«, erklärt Solveig Schuster. Die alleinerziehende Journalistin arbeitet ehrenamtlich für den Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV). Auf dem Armutskongress wird sie über die Situation betroffener Familien berichten. »Benachteiligt werden diese Mütter und Väter in der Familienpolitik, im Steuerrecht und auf dem Arbeitsmarkt. Hier trifft es gerade die Frauen, die 90 Prozent der Alleinerziehenden stellen, besonders hart. Die Zahl der Vollzeitjobs ist rückläufig. Von den alleinerziehenden Frauen sind zwei Drittel erwerbstätig, fast 60 Prozent von diesen wiederum in Teilzeit, viele in typischen Frauenberufen. Am Ende reicht das Einkommen nicht für die Familie«, sagt Schuster. Erschwert werde alles durch fehlende Betreuungsangebote. Dabei fordert der Arbeitsmarkt oft Einsätze am Abend oder an Wochenenden. Dann wird es mit der Betreuung richtig schwierig und meist zu teuer.
Ein weiteres Problem sind die sogenannten Einnahmen des Kindes. Der Elternteil, der mit den Kindern lebt und sie betreut, sollte als Ausgleich einen Kindesunterhalt bekommen. Der bleibt aber bei über der Hälfte aus, ein weiteres Viertel bleibt unter den Mindestbeiträgen. Fällt der Unterhalt etwa wegen Zahlungsunfähigkeit des Partners aus, gibt es den staatlichen Unterhaltsvorschuss. Dieser ist nur unter vielen einschränkenden Bedingungen zu erhalten, von Existenzsicherung kann keine Rede sein.
Häufig sind gerade alleinerziehende Mütter deshalb auf Sozialleistungen angewiesen. Große Sprünge sind damit nicht möglich. An sich selbst sparen die Alleinstehenden häufig am meisten - irgendwann wird das auch sichtbar. Solvejg Schuster beschreibt den Alltag: »Der Schulranzen ist kein Markenprodukt, ein zweites Paar Winterschuhe gibt es nicht. Für den Schulausflug bleibt wenig oder kein Taschengeld.« Besonders deutlich werde Armut auch in der Wohnsituation. Die Familien leben oft sehr beengt, die Kinder haben keine eigenen Zimmer. Die Chancen auf dem Wohnungsmarkt sind mit nur einem und zudem eher geringen Einkommen besonders schlecht.
Staatliche Unterstützung gibt es punktuell, dabei, so Schuster, sei auch Gebührenbefreiung ein Weg. Der Haken: Der Nachweis der Bedürftigkeit führe schnell zur Stigmatisierung. Deshalb fordert der VAMV kostenfreie Zugänge für alle, etwa beim Mittagessen in der Schule. Auch aus diesem Grund schloss sich der Verband kürzlich dem gemeinsamen Aufruf von 30 Organisationen an, nach dem jedes Kind gleich viel wert sein soll. Diskutiert wird noch, in welchem Maße Leistungen in Sachform, über einen kostenfreien Zugang oder über direkte Geldzahlungen erfolgen sollten. Der VAMV votiert für eine Kindergrundsicherung von 600 Euro monatlich.
Ulrike Henning
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