Blair - gelogen, getäuscht, gebombt
Britische Untersuchungskommission veröffentlichte ihren Bericht zum Irak-Krieg
Die britische Untersuchungskommission zum Irak-Krieg ist in ihrem lange erwarteten Bericht zu einem niederschmetternden Urteil gekommen. Die Regierung von Tony Blair habe damals die Bedrohung durch Irak bewusst übertrieben. Die Invasion sei 2003 erfolgt, als noch nicht alle nichtmilitärischen Möglichkeiten ausgeschöpft waren. Zudem habe sich die Führung nicht ausreichend für die Zeit nach dem Sturz des irakischen Staatschefs Saddam Husseins vorbereitet.
Die Kommission unter dem Vorsitz des ehemaligen Diplomaten Sir John Chilcot war 2009 von Premierminister Gordon Brown eingesetzt worden. Sie sollte die Umstände der britischen Beteiligung am Irak-Krieg der USA und die Zeit der Besatzung bis 2009 beleuchten. Die Anhörungen waren bereits 2011 abgeschlossen, aber die Veröffentlichung verzögerte sich - in erster Linie, weil Regierungsbehörden die Offenlegung gewisser Dokumente verhindern wollten.
Die Versäumnisse der britischen Regierung und des militärischen Führungspersonals seien zahlreich, sagte Chilcot bei der Präsentation in London am Mittwoch. Am schwersten wiegt, dass der Entscheid, in den Krieg zu ziehen, voreilig und unter zweifelhaften Umständen gefällt worden war. Der Premierminister habe sich mehr von seinen eigenen Überzeugungen leiten lassen als von den differenzierteren Einschätzungen der Nachrichtendienste, schreibt Chilcot.
Bereits im Sommer 2002 scheinen sich Blair und US-Präsident George W. Bush darauf geeinigt zu haben, dass Saddam gewaltsam entfernt werden müsse. Blair würde Bush »auf jeden Fall« unterstützen, schrieb der Premierminister damals in einem Memorandum. In der Folge habe Blair die Gefahr irakischer Massenvernichtungswaffen stark übertrieben, um im Parlament Unterstützung für einen Militäreinsatz zu gewinnen, sagte Chilcot. Die Frage, ob die Intervention legal gewesen sei, war zwar nicht Teil der Untersuchung, aber Chilcot kam zum Schluss, dass »die Umstände, unter denen entschieden wurde, dass es eine rechtliche Grundlage für eine britische Militäraktion« gebe, »keineswegs zufriedenstellend« waren.
Die Deutlichkeit, mit der Chilcot Blair, dessen Kabinett und die damalige militärische Führung kritisiert, wurde von vielen Seiten begrüßt. Viele der Millionen von Briten, die im Frühling 2003 gegen die Invasion demonstriert hatten, sehen sich in ihren Warnungen über die katastrophalen Folgen des Militäreinsatzes bestätigt.
Der Krieg forderte das Leben von Hunderttausenden irakischen Zivilisten und über 200 britischen Soldaten. Labour-Chef Jeremy Corbyn, einer der schärfsten Kritiker Blairs, sagte, dass dieser das Parlament in die Irre geführt habe und jetzt dafür zur Rechenschaft gezogen werden müsse.
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