Aus, aus, aus – das Spiel ist aus!
Warum große Fußballturniere nationale bis nationalistische Chauvi-Feiern mit Suff und Kartoffelsalatpampe sind
Kurz vor der EM war ich erstmal bei Penny. Der aus dem Off dudelnde Haussender war schon in Stimmung, holte Experten ans Mikrofon. Keine Fußballer. Einen Caterer! Der stand den Kunden fachlich zur Seite. Zu einem Fußballspiel, sagte er, brauche man Bratwürste und Kartoffelsalat, den man übrigens hübsch mit Petersilie garnieren sollte. Aha. Ein Mordsratschlag, für dessen Ausführung man schon vom Fach sein muss. Und natürlich gab es auch Bier im Sortiment, extra für das Turnier. Zwei Tage später brachte ein bekanntes Magazin auf seiner Internetpräsenz einen EM-Hack, »So kühlen Sie Ihr Bier in zwei Minuten«. Das ist es, so schoss es mir wieder mal in den Sinn, was Fußball heute ist. Ein Event, das mit dem eigentlichen Sport rein gar nichts mehr zu tun hat. Wie wir in der Postdemokratie die Demokratie überwunden haben, so haben wir im Postfußball alles hinter uns gelassen, was substanziell je mit dieser Sportart zu tun hatte.
Um was es heute wesentlich geht, das ist nicht Taktik oder Kenntnisse, die man so hat, wenn man sich auch außerhalb solcher Turniere für diesen Sport interessiert. Es geht bloß noch um die laue Emotion und um nationales Kollektiv. Man berichtet von Fanmeilen wie vom Platz. Die Wahrheit liegt auf der Fanmeile. Der Ball ist rund und ein Spiel dauert eine Tüte Kartoffelchips. Es ist ein national aufgeladener Karneval, in dem jeder Honk, der sich außerhalb großer Turniere um diesen Sport absolut nicht kümmert, für vier Wochen zu einem Wissenden und Insider der Sache mutiert. Wobei Wissen nicht meint, dass er etwas über Raumdeckung wüsste oder darüber, dass der Torhüter im modernen Fußball einen sehr defensiven Libero gibt. Das alles gehört nicht zum Repertoire derer, die für einen Moment so tun, als wären sie diesem Sport auf eine unverbrüchliche Weise verbunden.
Nein, ihr Wissen reduziert sich darauf, dass die Dauer eines Fußball-Spiels eine Zeit ist, da man sich mit Bier in Stimmung versetzt, Chips und Würste verschlingt, bei jedem Spiel mitgeht und unqualifiziert raunt, ohne gleichzeitig auch nur einen Hauch von Spielverständnis zu haben und natürlich, bei jeder Situation, die gegen »die Mannschaft« gepfiffen wird, grundsätzlich mit Hass zu reagieren. Und stand Gomez auch drei Meter im Abseits, ein Pfiff ist ein Skandal für einen solchen »Experten«, eine Störung seiner wohligen Feierlaune. Die Spieler sind für solche Fans nichts weiter als Gastgeber, die das Rahmenprogramm einer großen Sause zu liefern haben. Die Gegenspieler und Unparteiischen sind die Staffage, ja das Dienstpersonal, das aufzutragen und abzuräumen hat, bitte unscheinbar, damit die Partygäste nicht gestört werden.
Es gab mal eine Zeit, da habe ich mich, wie jeder mehr oder weniger Fußballinteressierte, auf Europa- oder Weltmeisterschaften gefreut. Die Aussicht darauf, so ein bisschen was von Turnieratmosphäre vermittelt zu bekommen, dazu viele Spiele, exotische Teams und so weiter, ließen mich als jungen Menschen schon auf die Eröffnungsfeierlichkeiten hinfiebern. Spätestens seit dem Sommermärchen ist das alles wie weggeblasen. Wer da alles plötzlich mitredet, Einsichten hat, das macht einem klar, dass Fußballkenner in der Minderheit sind. Die Mehrheit sagt »Fußball«, meint aber damit nichts weiter als eine nationale bis nationalistische Chauvi-Feier mit Suff und Kartoffelsalatpampe, bei der man Millionäre zu »unseren Jungs« verniedlicht und wo Leute »fachsimpeln«, die von vielem eine Ahnung haben mögen, aber nicht davon.
Man sollten die Kirchen in Deutschland fragen, die kennen das aus eigener Erfahrung. Alle feiern sie Weihnachten, pflegen Rituale zum Fest, aber was es mit dem genau auf sich hat, wissen viele Menschen heute nur noch sehr unzureichend bis gar nicht. Postweihnacht halt. So ist es mit dem Fußball heute. Das Geheimnis fußballerischen Erfolges ist eben nicht die Petersilie, die man auf den Salat streut. Die Wahrheit, die liegt auf dem Rasen. Nicht völlig fertig unterm Tisch. Einer Postfußnallnation muss man das aber nicht mehr erklären.
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