»Reden Sie mit uns, Herr Henkel!«

Anwohner des Hausprojekts »Rigaer 94« fordern Gespräche, um Eskalation zu beenden

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Reden Sie mit uns als direkte Nachbarn und Anwohner der Rigaer Straße 94«, fordert Andreas Döhler den Innensenator Frank Henkel (CDU) auf. Döhler erlebt seit Wochen hautnah die intensiven Maßnahmen der Polizei im Friedrichshainer Nordkiez. Absperrungen, ständige Kontrollen, stundenlange nächtliche Hubschraubereinsätze. Er möchte Gespräche »über die Situation vor Ort, die immer unverständlicher wird, die immer weiter hochkocht und die entsprechend mit konkreten Maßnahmen und Lösungsvorschlägen abgekühlt werden muss«.

Fast hätte die Pressekonferenz an diesem Dienstagmittag nicht stattfinden können. Der Einsatzleiter vor Ort drohte den Anwohnern eine Strafanzeige wegen einer nicht genehmigten Versammlung an. Erst durch die Intervention der grünen Landesparlamentarierin Canan Bayram bei der Polizeiführung konnte eine Genehmigung erwirkt werden.

Allein das ist bezeichnend für die Situation vor Ort. Nachdem der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) in den vergangenen Wochen noch Gespräche gefordert hatte, machte er am Montag eine Kehrtwende und versprach stattdessen mehr Informationen für Anwohner über polizeiliche Maßnahmen. »Sollte es nun wirklich beabsichtigt sein, diese Maßnahmen möglicherweise über Monate aufrechtzuerhalten, fordern wir mehr als nur lapidare Informationen«, sagt Anwohnerin Kerstin Neugebauer dazu. Sie will »handfeste Begründungen«.

Anwohner des Hausprojekts »Rigaer 94« fordern Gespräche

Auch die Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) ist von ihrem Amtssitz hergeradelt. Sie fordert schon lange Gespräche. »Ich war irritiert«, sagt sie über Müllers Rückzieher. Vor allem die Schlussfolgerung, nicht reden zu wollen, weil etwas eskaliert sei, kann sie überhaupt nicht nachvollziehen. »Das staatliche Gewaltmonopol führt gerade zu einer besonderen Verantwortung. Man muss es umsichtig einsetzen.« Der Innensenator könne doch nicht über Wochen einen ganzen Kiez abriegeln. »Wenn er meint, dass Straftäter hier sind, dann soll Henkel sie verhaften und vor Gericht stellen lassen«, sagt Herrmann. Auch Innenexperte der LINKEN, Hakan Taş, ist vor Ort. »Weil wir uns für eine Befriedung einsetzen, gelten wir als Gewaltversteher«, sagt er. So wie die Bezirksbürgermeisterin bekommt auch er täglich Hassmails.

Am Dienstagmorgen baute die Polizei die Gitter ab, die bis dahin 50 Meter Straße abriegelten und auch den Zugang zum Haus Nummer 95 umfassten. »Der Abbau wirkt auf mich wie eine kosmetische Maßnahme«, sagt Andreas Döhler. Zentrale Forderung ist ein Runder Tisch. Bezirksvertreter, Nachbarn, Bewohner der Rigaer 94, Vertreter der Nordkiez-Kiezversammlung, der Polizei und des Innensenats sollen sich dort zusammensetzen. »Moderiert werden sollten die Gespräche von einem neutralen Schlichter«, sagt Kerstin Neugebauer.

»Für Bewohner der Rigaer 94 und Nachbarn sind Grundrechte wie Bewegungsfreiheit und Privatsphäre seit Wochen außer Kraft gesetzt«, sagt Döhler. Dazu kämen neue Schikanen wie das Abstellen des Stroms im Haus 94. »Wir bleiben beharrlich bei unserer Forderung nach Dialog«, sagt Neugebauer.

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