Psychotherapien für Flüchtlinge
Das Projekt PROTHEGE sucht Spender, um die Behandlung von Traumatisierten zu ermöglichen
Sie rufen zu Spenden auf, um Geflüchteten Psychotherapien anzubieten. Viel mehr als Block und Stift braucht man für eine Gesprächstherapie nicht. Die Spenden sollen Ihnen Honorare sichern?
Wir planen für eine Sitzung 60 Euro ein. Eine reguläre Therapiestunde wird mit einem Satz von 87,77 Euro vergütet. Unser Angebot ist also günstiger, aber auch nicht völlig unentgeltlich, weil wir Therapie nicht als Almosen verstehen. Unser Gedanke war der: Würde man jemandem, der ehrenamtlich arbeitet, das gleiche zumuten wie einem professionellen Therapeuten? Würde man sich vielleicht zurückhalten, bestimmte belastende Themen anzusprechen? Wie geht man damit um, wenn eine kostenlose Sitzung kurzfristig abgesagt wird? All das kann Konflikte in eine Therapeuten-Klienten-Beziehung bringen. Und deswegen haben wir uns entschieden, einen Mittelweg zu wählen. Von den 60 Euro werden auch nicht nur die Therapeuten bezahlt, sondern auch die Dolmetscher und die Supervisoren.
Die Supervisoren sind in jeder Sitzung dabei?
Nein, die sind in keiner Sitzung dabei. Wir sind Psychotherapeuten in Ausbildung. Deshalb werden wir durch erfahrene und bereits approbierte Psychotherapeuten begleitet. Das bedeutet, dass wir uns nach ungefähr jeder dritten bis vierten Sitzung mit einem erfahrenen Kollegen treffen und uns austauschen. Das ist vorgeschrieben. Das machen wir mit jedem anderen Patienten auch so.
Das Thema Flucht ist ja häufig mit Traumata verbunden. Ist das nicht eine besondere Belastung für die Therapeuten?
Gute Frage, gar nicht so einfach zu beantworten. Jeder bringt seine eigene Geschichte mit. Man muss sich auf jeden Einzelnen individuell einstellen. In unserer Arbeit in Kliniken und der Ambulanz haben wir bereits mit Menschen gearbeitet, die Traumatisches erlebt haben. Wir haben außerdem mit erfahrenen Kolleginnen, die bereits mit Geflüchteten oder auch schon in anderen Sprachen gemeinsam mit Dolmetschern therapiert haben, einen Workshop veranstaltet. Sicherlich werden auch besonders traumatische Erfahrungen eine Rolle spielen. Manches kann auch für die Therapeuten belastend sein, aber wir sind für den Umgang damit ausgebildet. Auch dafür sind die Gespräche mit den Supervisoren da. Ich glaube aber auch, dass die Arbeit mit traumatischen Erlebnissen zunächst ein stabiles Umfeld braucht. Unser Ziel ist deshalb auch erst einmal eine prinzipielle Stabilisierung des Menschen.
Ist das Projekt auch für Sie, da Sie noch in der Ausbildung sind, die Möglichkeit, sich erst einmal auszuprobieren?
Wir führen alle schon Behandlungen mit Patienten durch, die über die gesetzliche Krankenversicherung den Anspruch darauf haben. Das ist Teil unserer Ausbildung. Das Projekt PROTHEGE machen wir zusätzlich. Wir wollen eine Versorgungslücke schließen, weil Menschen, die hier leben, ein Zugang verwehrt wird, der ihnen zusteht.
Könnte es Geflüchtete abschrecken, dass Sie sich noch in der Ausbildung befinden?
Zum einen stehen wir in Kontakt mit Einrichtungen, die bereits Erfahrungen mit psychosozialer Betreuung von Geflüchteten haben, zum Beispiel XENION und KuB. Zum anderen geben wir jedem, der zu uns kommt, durch ein Vorgespräch die Möglichkeit, uns kennenzulernen und zu besprechen, wie die Therapie aussehen kann, was ihn erwartet und welche Wünsche und Ziele die Person hat. Das gilt aber auch für unsere anderen Patienten.
An sich halten wir uns möglichst nah an die Regelversorgung, weil wir keine Unterschiede produzieren wollen, die es aus unserer Sicht gar nicht gibt.
Wie erfahren die Geflüchteten von der Möglichkeit, bei Ihnen eine Therapie zu machen?
Auch da arbeiten wir vor allem mit XENION und KuB zusammen. Wie wir das genau gestalten, werden wir noch klären.
In welche Räume laden Sie dann ein?
Wir können die Räumlichkeiten der Ambulanz, also der Berliner Akademie für Psychotherapie, und der Psychologischen Hochschule Berlin kostenfrei nutzen. Sowohl hier in Mitte als auch in unseren Außenstellen, die wir in Neukölln, Lichtenberg, Wittenau und Charlottenburg haben.
Ein Arzt, der in einer Notunterkunft Geflüchtete erstversorgt, hat erzählt, dass ungefähr 50 Prozent der Menschen mit organischen und 50 Prozent mit psychischen Problemen zu ihm kommen. Nun haben wir 40 000 Flüchtlinge in Berlin. Sie bieten 15 Therapieplätze an…
Ja, genau. Wir wollten jetzt in einem ersten Schritt über das Crowdfunding die ersten Therapieplätze zur Verfügung stellen, um dann in einem weiteren Schritt auch stabilere finanzielle Möglichkeiten oder Geldgeber zu finden, die uns in dem Anliegen unterstützen. Gleichzeitig wollen wir mit unserer Arbeit aber nicht Politik und Gesellschaft aus der Verantwortung nehmen, die diese Dinge eigentlich finanzieren müssten.
Und wann kann die erste Therapie starten?
Die Spendenkampagne läuft bis zum 1. August. Bis dahin müssen wir unser gesetztes Ziel von 15 000 Euro erreichen, sonst geht das Geld an die Spender zurück. Dann fangen wir an, all die formalen Dinge vorzubereiten: Übersetzungen, Behandlungsvereinbarungen zum Beispiel. Im September, spätestens Oktober können wir dann hoffentlich den ersten Patienten aufnehmen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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