Himbeeren statt Magenband
Sommerfrüchte kurieren Entzündungen, helfen beim Abnehmen und beugen Krebs vor
Himbeeren gedeihen an Waldrändern, auf Lichtungen und an Böschungen. Seit dem 12. Jahrhundert werden sie kultiviert. Wer den Halbstrauch nicht im eigenen Garten anpflanzen kann, muss für die kleinen Sammelsteinfrüchte in handelsüblichen 125-Gramm-Packungen meist den doppelten oder dreifachen Preis von Erdbeeren und mindestens den Gegenwert einer Fahrkarte mit dem Regionalexpress zu einer bekannten Sammelstelle im Wald hinblättern.
Der Himbeerstrauch, botanisch »Rubus idaeus«, erneuert sich im Frühjahr aus dem Wurzelstock, bildet bis zu drei Meter lange Ruten, an denen sich nach der Blüte die beerenartig erscheinenden Sammelfrüchte zeigen. Sie bestehen aus einzelnen, um eine gemeinsame Blütenachse angeordneten Steinfrüchten. Pflückt man die gut gereiften, roten Beeren ab, so hat die Himbeere innen einen kleinen Hohlraum, der sich bei Brombeeren nicht findet. Daher der volkstümliche Name »Hohlbeere« für die Him- oder Hindelbeere, wie sie auch genannt wird. Keinesfalls hat der Name etwas mit dem Himmel zu tun, obwohl die Beeren durchaus himmlisch schmecken. Etymologisch kommt der Wortstamm »Him« von »Hind«, der altnordischen Bezeichnung für die Hirschkuh. Das Tier labt sich gerne an den Blättern des Himbeerstrauches. Diese werden auch von Frauen in den Wechseljahren als beschwerdelindernder Tee aufgebrüht, bei prämenstruellen Beschwerden oder zur Geburtserleichterung eingesetzt.
250 Gramm Himbeeren waschen, verlesen und mit 100 Millilitern Weißweinessig sowie einer halben, längs aufgeschnittenen Vanilleschote kurz aufkochen lassen. Vom Herd nehmen, weitere 100 Milliliter Weißweinessig hinzugeben und mit einem Teelöffel Zucker oder etwas Stevia abschmecken. Die verkochten Beeren absetzen lassen, die überstehende klare Flüssigkeit in einen Krug dekantieren, danach in Glasflaschen abfüllen, gut verschließen und kühl stellen. Der Essig ist circa zwei Monate haltbar. Er verfeinert Blattsalate, Rotkohlsalat, Rote Bete und vieles mehr. an
Ihre wohltuende Wirkung verdankt die Himbeere den Vitaminen C und E, den farbgebenden Anthocyanen sowie den Mineralstoffen Calcium, Kalium, Magnesium und Eisen. Trotz der enthaltenen Fruchtsäuren wirkt die Himbeere für den menschlichen Stoffwechsel insgesamt als Basen-Überschuss. Ihr typisches Aroma erreicht sie durch die sogenannten Himbeerketone. Sie ähneln chemisch den Keto-Gruppen, die beispielsweise beim Fettabbau nach einer fetthaltigen Mahlzeit entstehen und als Sättigungssignal fungieren.
Die in Himbeeren enthaltene Ellagsäure schützt vor Krebs, Thrombosen und Herzinfarkten. Sie gehört zu den Polyphenolen und ist nur in sehr wenigen Obstarten vertreten, so in Himbeeren, Erdbeeren, Brombeeren, Weintrauben, Walnüssen und Pekannüssen. Ellagsäure ist in der Lage, krebserregende Stoffe wie beispielsweise Acrylamid, das beim Backen entsteht, im Körper unschädlich zu machen. Forscher am Hollings Cancer-Center an der Universität von South Carolina bestätigen die vorbeugende Wirkung gegen Darmkrebs sowie gegen das Papillom-Virus alsAuslöser von Gebärmutterhalskrebs. Dennoch sollte der Verzehr von Himbeeren nicht als Freibrief für den häufigen Konsum von frittierten bzw. stark gebräunten Speisen verstanden werden.
Wie sinnvoll Himbeeren als Nahrungsbestandteil für Übergewichtige sein können, belegen Untersuchungen am Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrum (IFB) für Adipositas-Erkrankungen an der Universität Leipzig. Hier wurde erforscht, warum das Fettgewebe am Bauch mit zahlreichen entzündlichen Erkrankungen wie Asthma, Gelenkentzündungen, Bluthochdruck, Fettleber oder Depressionen verknüpft ist. Man fand heraus, dass am Bauch sitzendes weißes Fett sogenannte entzündungsfördernde Zytokine ausschüttet, die bei stark Übergewichtigen zu entzündlichen Prozessen im ganzen Körper führen. Körperliche Bewegung und Sport vermögen die »Gefahr aus dem Fettgewebe« zu bannen, aber auch die Ernährung muss passen. Gerade Übergewichtige brauchen hier eine besonders gute Qualität. Die Nahrung sollte reich an Antioxidantien sein. Die Himbeere bietet das, nicht aber billiges Fastfood, das in schlechten, kurz vor dem Ranzigwerden stehenden Frittier-Fetten zubereitet wurde und solche Entzündungsvorgänge weiter verschlimmert. Für einen Teil von stark übergewichtigen Personen wäre ein finanzieller Zuschuss zu einem gesundheitsbewussten und damit meist teureren Essen weitaus sinnvoller als eine chirurgische Magenverkleinerung mittels Magenband.
Eine volumenreiche Zusammenstellung der täglichen Kost, etwa mit einem großen Blattsalat, frischen Himbeeren und Himbeeressig bedeutet nicht nur ein größeres Sättigungsgefühl, sondern liefert gleichzeitig ein Optimum an Vitaminen und entzündungswidrigen Stoffen. Hingegen birgt eine operative Verkleinerung des Magens, die bei stark Übergewichtigen mit Folgeerkrankungen ab einem Body Mass Index (BMI) von 35 von den gesetzlichen Krankenkassen mit durchschnittlichen Kosten von circa 6000 Euro finanziert wird, beträchtliche Risiken. So kann es im Laufe der folgenden Lebensjahre einerseits zu einer gravierenden Unterversorgung mit Proteinen und Vitaminen kommen. Andererseits erhöht ein Magenbypass das Risiko für eine Alkoholabhängigkeit, wie im Ärzteblatt vom Oktober 2012 dokumentiert. Nach einer Magenbypass-Operation steigt bei den Betroffenen der Alkoholpegel im Blut rasanter an und wird gleichzeitig langsamer abgebaut. Ein Teil der vormals Ess-Süchtigen greift statt zur Packung Kekse ersatzweise zu Hochprozentigem.
Für den einmaligen Betrag der entsprechenden Operation könnte man sich theoretisch über vier bis fünf Jahre täglich eine 125-Gramm-Portion Himbeeren leisten. Während bis zum 19. Jahrhundert Armut oftmals einen Mangel an Kalorien bedeutete, bringt sie heutzutage eine Unterversorgung mit Vitaminen und gesundheitsfördernden Stoffen mit sich.
Für das Essen unterwegs wie für Daheim gilt: vorweg einen leichten Salat verzehren, zum Hauptgericht eher Reis oder Salzkartoffeln statt Pommes frites nehmen, einfaches Wasser oder Tomatensaft dazu trinken. Selbst die Himbeeren zum Dessert mit luftig aufgeschlagener Sahne sind eine bessere Wahl als eine kompakte, kleine Kugel Eis. Bedeuten sie doch weniger Zucker und gehärtete Fette, auch wenn sie eine höhere Rechnung nach sich ziehen.
Wem die Fruchtsäuren der gesunden Beeren dennoch Sodbrennen oder Magenbeschwerden bereiten, dem sei die Kombination mit einem Löffelchen Leinöl oder Leinsaat empfohlen - wie es sich im Müsli leicht machen lässt. Auch Kokosraspel, Sahne oder süße Mandeln verbessern die Verträglichkeit.
Zu guter Letzt: Ein Waldspaziergang mit Freunden, Kindern, Enkelkindern, auf dem die leckeren Waldhimbeeren gesammelt werden können, dient der Entspannung und liefert neben den nützlichen Bestandteilen für den Körper auch Nahrung für die Seele.
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