Rot-grüner Zoff um Autobahnen

Niedersachsens Koalition streitet um A 20-Gutachten

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Vorhang des rot-grünen Sommertheaters in Hannover hat sich zum zweiten Akt gehoben. Zum ersten war Anfang des Monats Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) auf die Politbühne getreten: mit dem Begehr nach Überwachungskameras in allen Regionalbahnen. Der kleinere Koalitionspartner reagierte verstimmt. Nun sind die Rollen anders verteilt: Jetzt sind es die Grünen, die den Minister ärgern: mit einem Gutachten, das harsche Kritik an den Autobahnprojekten A 20 und A 39 übt.

Zankäpfel sind beide Vorhaben, die der noch nicht beschlossene Bundesverkehrswegeplan als vordringlich einstuft, seit Jahren. Der Aufkleber »Keine A 39« ziert viele Autohecks, Initiativen haben sich gebildet, die erhebliche Belastungen der Umwelt durch den Ausbau des Nord-Süd-Verkehrsweges erwarten. Auf einer Länge von rund 106 Kilometer soll er die Lücke der A 39 zwischen Wolfsburg und Lüneburg schließen. Gut eine Milliarde Euro Baukosten sind veranschlagt.

Widerstand richtet sich auch gegen die geplante A 20. Vom Westen nach Osten soll sie das Land durchqueren, soll die A 28 bei Westerstede, an Bremen vorbei führend, mit der A 23 bei Hohenfelde in Schleswig-Holstein verbinden; 3,2 Milliarden Euro sind dafür vorgesehen.

Bei diesem Betrag und auch bei den kalkulierten Ausgaben für die A 39 wird es nicht bleiben, stellt das von den Grünen in Auftrag gegebene Gutachten fest. Seine Verfasser, Experten der RegioConsult, einer Fachagentur für Verkehrsplanung in Marburg, haben Zweifel an den Berechnungen für beide Autobahnen und bemängeln, dass bei der Kalkulation die zu erwartenden Steigerungen der Baupreise nicht berücksichtigt worden seien.

Zweifel hegen die Gutachter auch am Nutzen beider Strecken. Sie werden nicht ausgelastet sein, prognostizieren die Fachleute. Des Weiteren warnen sie vor drohenden Umweltschäden und negativen Folgen für die Landwirtschaft.

Niedersachsens Grüne kommentieren das Gutachten: Es belege, dass der »blamable« Verkehrsplan des Bundes »das genaue Gegenteil von der notwendigen und radikalen Verkehrswende ist«. Die Fraktion hoffe auf die SPD im Bundestag; sie dürfe »einem solchen klima- und umweltfeindlichen Konstrukt« nicht zustimmen.

Von den Sozialdemokraten in Hannover dürfen die Grünen alles andere als Schützenhilfe erwarten, beharrt doch Wirtschafts- und Verkehrsminister trotz des Gutachtens auf den Vorhaben: »Wir werden beide Projekte zügig weiter planen und auch bauen.« Die Grünen-Fraktion betreibe »Rosinenpickerei« und suche sich ihre Argumente, wie es gerade passe, schimpft Lies. Für ihn gebe es überhaupt keinen Grund, an den Berechnungen aus Berlin zu den Projekten zu zweifeln.

Mit ins Horn des Ministers bläst die Industrie und Handelskammer Oldenburg. Sie bezeichnet die A 20 als »die wichtigste Ost-West-Verbindung im Norden Deutschlands«. Auch die oppositionelle CDU, die seit jeher zusammen mit der FDP den umstrittenen Autobahnbau bejubelt, stärkt Olaf Lies den Rücken. Jörg Hillmer, stellvertretender Fraktionschef der Union, unterstreicht: Die beiden Projekte dürften nicht unter dem Streit zwischen SPD und Grünen leiden. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) möge »abschließend erklären«, dass der Ausbau von A 20 und A 39 unter der derzeitigen Landesregierung beginnt und nicht am Veto des grünen Koalitionspartners scheitert.

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