Hängepartie nach dem Atomstreit

Das Abkommen mit Iran über seine Atomindustrie gilt als Erfolgsgeschichte / Zur Zufriedenheit fehlt noch einiges

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 3 Min.
Vor einem Jahr wurde der Atomstreit mit Iran beigelegt. Der Frieden war gerettet, aber nicht alle Blütenträume reiften, vor allem, weil der Handel weiter blockiert ist.

Die Welt ist seit einem Jahr um ein Krisenthema ärmer, und es bedarf heute schon politischer Kalenderblätter, um daran zu erinnern, dass es da einmal etwas gab, was sich »Atomstreit (des Westens) mit Iran« nannte. 13 Jahre lang verhandelte die sogenannte 5+1-Runde mit der islamischen Republik im Mittleren Osten um deren Atomprogramm. 5+1 - das war die vom UN-Sicherheitsrat autorisierte Verhandlungsgruppe, bestehend aus den Ständigen Ratsmitgliedern China, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA sowie Deutschland. Mitverhandelt hat auch die Außenbeauftragte der EU.

Der Vorwurf der westlichen Staaten lautete, Iran wolle unter dem Deckmantel der Herstellung von Komponenten für die Produktion von Kernenergie auch atomwaffenfähiges Material herstellen. Teheran bestritt das stets. Die Schwierigkeit war und ist, dies mittels intensivster Kontrollen durch die Internationale Atomenergie-Behörde (IAEA) zu verifizieren. Iran lehnte jedoch die Inspektion der neuralgischsten Orte durch die IAEA lange ab unter Verweis auf seine souveränen Rechte.

Die langjährigen und zähen Verhandlungen wären wohl nicht erfolgreich gewesen, wenn die Präsidenten der USA und Irans, Barack Obama und Hassan Ruhani, nicht zu entscheidenden Kompromissen bereit gewesen wären und diese auch gegen erheblichen Widerstand im eigenen Land durchsetzten. Zum Schluss gab auch der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Ruhe, der noch Tage vor der Vertragsunterzeichnung öffentlich von der Möglichkeit eines Bombenangriffs auf Iran sprach, um dessen Atompotenzial zu zerstören, wenn es schon die internationale Gemeinschaft nicht tue. Doch selbst seine Verbündeten im US-Kongress sahen es am Ende als nicht mehr Erfolg versprechend an, Obama auf der »iranischen Flanke« anzugreifen.

Ruhani schwimmt seitdem auf einer diplomatischen Erfolgswelle; nach den Ungezogenheiten seines Vorgängers Mahmud Ahmadinedschad auf internationalem Parkett hatte die Republik das auch dringend nötig. Allerdings erwartete man nach all den diplomatischen Artigkeiten endlich auch den sanktionsfreien Handel und Wandel, den man sich mit dem Ende des internationalen Wirtschaftsembargos versprochen hatte.

Der Beginn des Wettlaufs westeuropäischer Politiker und Unternehmer nach Teheran begann durchaus verheißungsvoll. Einer der ersten war der deutsche Wirtschaftsminister. Kaum dass die Tinte unter dem Atomvertrag trocken war, erschien Sigmar Gabriel an der Spitze einer hochrangigen Unternehmerdelegation in Teheran. Airbus, Lufthansa, die dicken Fische der Tourismusbranche - sie alle erzielten bedeutende Abschlüsse.

Nach einem Jahr ist davon allerdings nicht allzu viel umgesetzt. Hauptgrund ist, dass die Geschäfte banktechnisch nicht abgewickelt werden können. Ursache dafür wiederum ist die Tatsache, dass der republikanerdominierte US-Kongress es nicht eilig hat, seine Sanktionen gegen Iran aufzuheben. Zwar müsste das europäische Geldinstitute rein rechtlich nicht tangieren, aber sie hätten dann den amerikanischen Markt zu verlassen oder drastische Strafen zu zahlen.

Bisher entschieden sich die Banken stets für Letzteres, obwohl die US-Justiz ausgesprochen gnadenlos gegen Geldhäuser vorgeht, die in Ländern aktiv sind, die auf der »blacklist« der Administration stehen. Neben Iran betrifft das zum Beispiel auch Kuba, Myanmar und Nordkorea. Und bisher haben wohl alle die verhängten Strafen bezahlt, ohne großes Aufsehen zu machen. Die Commerzbank ereilte ein Strafbefehl von 500 Millionen Euro, die Deutsche Bank von 300 Millionen.

Die Rekordsumme von neun Milliarden Euro verhängten die US-Gerichte gegen die französische Bank BNP Paribas. Diese hatte entsprechende »Vergehen« im Umgang mit Iran und anderen »Blacklist«-Staaten eingeräumt. Vor drakonischen Strafen zittern auch deutsche Unternehmen, ohne es zuzugeben. Der Hauptgeschäftsführer des Maschinenbauverbandes, Thilo Brodtmann, flüchtet sich in die Formulierung: »Abgesehen von einigen technischen Detailfragen sind unsere größte Sorge die fehlenden Bankverbindungen.« Einige US-Sanktionen seien eben noch in Kraft, und deshalb gebe es »noch keine Rechtssicherheit für die Institute«, bedauert der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, Michael Kemmer.

Das große Iran-Geschäft muss also noch warten, nicht nur zum Leidwesen der westeuropäischer Konzerne. Auch die einfachen Iraner haben den Schaden, indem sie preiswerte Konsumgüter weiter entbehren müssen.

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