Für Forschung ohne Feindbild

Studenten der Humboldt-Universität kritisieren umstrittenen Wissenschaftler

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 2 Min.
Rassismusstreit am Institut: Studenten halten die Forschung ihres Professors für muslimfeindlich, daraufhin wird ihnen Diffamierung und Denunziation vorgeworfen.

Einwanderungs- und Integrationspolitik, soziale Bewegungen und Rechtsradikalismus gehören zu den Forschungsthemen des holländischen Wissenschaftlers Ruud Koopmans. Seit 2013 hat er die Professur für Soziologie und Migrationsforschung an der Humboldt-Universität (HU) inne. Zudem ist Koopmans Direktor der Abteilung »Migration Integration und Transnationalisierung« am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.

Dass ein Mann mit einer solchen wissenschaftlichen Reputation ein gefragter Interviewpartner zu den derzeit vieldiskutierten Themen Einwanderung und die Rolle des Islam ist, dürfte ebenso wenig überraschen, wie die Einspeisung seiner Thesen in den politischen Meinungsstreit. So titelte die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« (FAZ) am 29. April mit Verweis auf Forschungsergebnisse des Wissenschaftlers: »Koop-mans hält Multikulti für gescheitert«. In dem FAZ-Interview behauptet der Migrationsforscher, die Diskriminierung von Migranten in Deutschland sei ein viel geringes Problem als bislang angenommen. Die »Neue Züricher Zeitung« fasst Koopmans Thesen so zusammen: »Nicht die Diskriminierung der Migranten ist die Herausforderung, sondern ihre Selbstdiskriminierung«.

Diese Einlassungen haben am Institut für Sozialwissenschaften (ISW) der HU und am Wissenschaftszentrum in den letzten Wochen für heftige Diskussionen gesorgt. Koopmans nutzte »wissenschaftlich höchst fragwürdige Ergebnisse, um Stimmung gegen Personen muslimischen Glaubens in Deutschland zu machen«, heißt es in einer Erklärung der Fachschaft Sozialwissenschaft (Sowi). Dafür wurde den Studenten Diffamierung und Denunziation vorgeworfen. »Die Veröffentlichung der Kritik mittels Flugblättern, Mails und in sozialen Medien entspricht nicht den Normen und Idealen des Instituts« erklärten Koopmans Kollegen.

Fachschaftsmitglied Robert Vief verteidigt die Kritik der Studenten mit Koopmans exponierten Medienauftritten, mit denen er Einfluss auf die öffentliche Debatte nehme. »Gerade in Zeiten der AfD-Erfolge sind solche problematischen Thesen in wissenschaftlicher Kleidung eine ernstzunehmende Gefahr«, so Vief.

Nachdem eine Podiumsdiskussion zwischen den Beteiligten kurzfristig nicht zustande kam, bemüht man sich nun um Entspannung. Am Donnerstag fand am ISW ein Gespräch zwischen Kritikern und Verteidigern Koopmans statt. Der gescholtene Wissenschaftler will vor den Semesterferien zu den Vorwürfen nicht öffentlich Stellung nehmen. Die kritischen Studenten wollen die vorlesungsfreie Zeit jedoch nicht ungenutzt verstreichen lassen. Auf einer Sitzung des Institutsrats in der letzten Woche beschlossen sie, ein Banner mit der Aufschrift »Für Forschung ohne Feindbild« zwei Wochen lang an der Außenfassade der HU anzubringen. Die Institutsverwaltung muss diese Entscheidung nun noch abnicken.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.