675 Tote aus Wrack von Flüchtlingsschiff geborgen
Nach der Bergung wird Ausmaß des Unglücks von April 2015 im Mittelmeer deutlich / Grünenpolitikerin Roth fordert Aufbau ziviler Seenotrettung
Berlin. Nach der Bergung von 675 Leichen aus dem Wrack eines im April 2015 gesunkenen Flüchtlingsbootes ist klar: Mit insgesamt 845 Opfern war das Kentern des Bootes eines der bislang schlimmsten Unglücke im Mittelmeer. Allein 458 Tote entdeckte die italienische Marine im Frachtraum des Schiffes. Das Wrack war Anfang Juli vom Meeresgrund gehoben worden, nachdem es am 18. April 2015 vor der Küste Libyens gesunken war. 170 Leichen waren bereits direkt nach der Katastrophe geborgen worden, 28 Menschen überlebten. Italiens Regierungschef Matteo Renzi hatte nach dem Unglück angekündigt, das Wrack bergen zu lassen, um der ganzen Welt das Elend der Flüchtlinge vor Augen zu führen. Die Leichen, die mehr als ein Jahr in dem Schiff gelegen hatten, werden in Sizilien obduziert. Dort sollen möglichst viele der toten Flüchtlinge identifiziert werden. Anhand persönlicher Gegenstände und Dokumente konnte bereits festgestellt werden, dass Menschen aus Äthiopien, Eritrea, Bangladesch, dem Sudan, Somalia, Mali, Gambia, dem Senegal, der Elfenbeinküste und Guinea an Bord waren. Unter den Toten waren nach Angaben der Marine auch einige Kinder.
Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth von den Grünen hat derweil den Aufbau ziviler Rettungsmaßnahmen im Mittelmeer gefordert. »Die EU muss eine zivile Seenotrettung im Mittelmeer organisieren«, sagte sie der »Heilbronner Stimme« Roth warnte zugleich vor einer Überforderung der Bundeswehr, die seit mehr als einem Jahr an der EU-Mission zur Rettung von Flüchtlingen und zur Aufklärung von Schleusernetzwerken beteiligt ist. »Unsere Marine leistet dort gerade Großartiges. Aber es kann nicht dabei bleiben, dass sich die Bundeswehr auf Dauer im Rettungseinsatz befindet«, erklärte die Bundestagsvizepräsidentin.
Roth forderte von der EU, mehr Flüchtlinge aufzunehmen: »Europa mit seinen rund 500 Millionen Menschen muss in der Lage sein, mehr Geflüchtete aufzunehmen, als wir es bislang tun.« Man wisse, dass sich Menschen aus Syrien, aus Eritrea, aus dem Irak mit eindeutigen Fluchtgründen auf den Weg machten und in Europa als Flüchtlinge anerkannt werden müssten. »Daher muss die EU alles dafür tun, diese Menschen sicher auf den Kontinent zu bringen«, sagte sie.
Das Mittelmeer ist derzeit die gefährlichste Fluchtroute in Richtung Europa: Allein dort kamen nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration bis Ende Juni mindestens 2.905 Flüchtlinge ums Leben oder wurden für vermisst erklärt. Die große Mehrheit - mehr als 2.500 - ertrank auf dem Weg von Afrika nach Italien. Die Dunkelziffer der Opfer ist laut Experten deutliche höher. Agenturen/nd
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