Lernverweigerer
Uwe Kalbe zum UNESCO-Bericht über Kinder, denen die Schule versagt bleibt
Mick Jagger freut sich auf sein achtes Kind, jedes dritte Kind in Deutschland kommt nichtehelich auf die Welt, unter den Toten und Verletzten nach dem Anschlag in Nizza sind auch Dutzende Kinder. Dies alles sind Meldungen vom Freitag, die den Zufall als Entscheider über Glück und Unglück zählbar macht. Eine Nachricht dieses Tages allerdings bildet keine Zufallsgröße ab: 263 Millionen Kinder weltweit gehen nicht zur Schule. Damit sind nicht Ferienfreuden gemeint. Sondern: 263 Millionen Kinder gehen nie zur Schule. Wenn Ungerechtigkeit und Benachteiligung dingfest gemacht werden sollen, dann bietet diese Zahl eine Gelegenheit. Hinter ihr verbergen sich weitere Ungerechtigkeiten; dass Mädchen öfter betroffen sind als Jungen, ältere Kinder öfter als jüngere, weil sie irgendwann alt genug zum Arbeiten sind.
Andere Zahlen blieben am Freitag ungenannt: 2,6 Millionen Kinder unter fünf Jahren verhungern jährlich infolge von Unterernährung, alle drei Sekunden stirbt ein Kind unter fünf Jahren an den Folgen eigentlich vermeidbarer Krankheiten. In der Summe zeigt sich die Systematik des Dramas. Es sind die Kinder derselben Regionen, derselben Länder, derselben sozialen Schichten, die hungern, an Krankheiten sterben und ungebildet bleiben. Keine neue Erkenntnis, gewiss. Dass sie den wohlhabenden Norden nicht in Aufruhr versetzt, zeigt weiteren dringenden Lernbedarf: des Nordens.
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