Mehr ist weniger
Konzept der Bundesarbeitsministerin zur Ost-West-Rentenangleichung mit Tücken
Andrea Nahles ist im Verzug. Laut Koalitionsvertrag sollte sie zum 1. Juli dieses Jahres prüfen, wie weit sich der Angleichungsprozess bei den Ostrenten bereits vollzogen hat. Bislang hat die SPD-Ministerin in der Sache noch nichts vorzuweisen. Doch es tut sich was im Hause Nahles. Wie die »Sächsische Zeitung« am Freitag berichtete, soll es ein Konzept zur Angleichung des niedrigeren Ostrenten an das Westniveau geben. Konkret geht es um den Rentenwert, neben den Entgeltpunkten die entscheidende Größe bei der Berechnung der Altersbezüge. Der aktuelle Rentenwert West beträgt 30,45 Euro. Im Osten liegt er mit 28,66 Euro deutlich darunter.
Wie die Zeitung schreibt, wolle Nahles die Lücke bei der Rente bis 2018 zur Hälfte schließen. Das wäre eine einmalige Rentenerhöhung von rund drei Prozent. 2020 solle dann der zweite Schritt erfolgen und eine endgültige Angleichung sicherstellen.
Ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums bestätigte gegenüber »nd«, dass momentan an einem solchen Vorschlag zur Angleichung gearbeitet werde. Er schränkte aber ein, dass der Prozess noch nicht abgeschlossen sei. Somit gebe es auch »noch keine endgültige Festlegung auf ein konkretes Modell und noch keinen von der Ministerin gebilligten Entwurf«. Zum Inhalt des Berichts und zum Vorschlag selbst könne man daher noch keine Angaben machen.
Tatsächlich birgt das Konzept, das der »Sächsischen Zeitung« zugespielt wurde, einigen Sprengstoff. Es würde bedeuten, dass die Rentenansprüche von sechs Millionen Arbeitnehmern im Osten zukünftig geringer ausfallen würden, weil mit der Anhebung der Rente die Höherwertung ostdeutscher Einkommen wegfallen soll. Derzeit werden die im Durchschnitt niedriger ausfallenden Löhne in den neuen Ländern mit einem Umrechnungsfaktor auf Westniveau gebracht.
Denn noch immer gibt es große Unterschiede beim Gehalt. Zwar haben sich die Tariflöhne in vielen Branchen weitgehend angeglichen, doch nur jeder dritte Betrieb im Osten hält sich an Branchentarifverträge. Nach Angaben der deutschen Rentenversicherung liegen die Bruttoverdienste im Osten um 17 Prozent niedriger als westlich der Elbe.
Mit Blick auf die Gehaltsunterschiede plädierte der Präsident der Volkssolidarität, Wolfram Friedersdorff, im Gespräch mit dieser Zeitung am Freitag für ein »behutsames Vorgehen« und forderte Alternativen für die bisherige Hochwertung der Ostlöhne. »So sehr die Angleichung zu begrüßen ist, so sehr ist auch darauf zu achten, dass künftige Neurentner nicht über Gebühr benachteiligt werden«, unterstrich Friedersdorff. »Eine ersatzlose Streichung der Hochwertung« lehne die Volkssolidarität ab, sagte der Präsident und empfahl, »Alternativen zu prüfen, wie zum Beispiel die Rente nach Mindestentgeltpunkten für Niedrigverdienste in Ost und West«.
Linksparteichef Bernd Riexinger nannte die Angleichung am Freitag »längst überfällig«. Die Vorschläge von Andrea Nahles seien jedoch »im Kern ein Angriff auf junge Beschäftigte im Osten«. »Dreh- und Angelpunkt der ungleichen Renten in Ost und West sind die bestehenden Lohnunterschiede. Hier muss sich die Bundesministerin stärker für die Beschäftigten einsetzen und Druck auf die Arbeitgeber machen«, so Riexinger. Der Rentenexperte der LINKEN, Matthias Birkwald, wirbt seit Langem für einen »steuerfinanzierten und stufenweise steigenden Zuschlag, der die Rentenwerte in Ost und West sehr zügig vollständig angleicht«. Zugleich müsse die Umrechnung niedrigerer ostdeutscher Löhne und Gehälter solange beibehalten werden, bis sie Westniveau erreicht haben werden.
Auch vom Koalitionspartner kam am Freitag Widerspruch: Der CDU/CSU-Fraktionsvize Arnold Vaatz lehnte die Angleichung ab, weil sie mit einem Wegfall der Höherwertung verbunden wäre, so die »Sächsische Zeitung«.
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