Stadt für alle Besucher
Gastkommentar von André Nowak
Eine Frage blieb in der sechsteiligen Tourismusserie unterbelichtet: Inwieweit sind die touristischen Angebote auch für Menschen mit Behinderungen nutzbar? Rund zehn Prozent der Bevölkerung sind auf barrierefreie Angebote angewiesen, sie sind aber auch hilfreich für Reisende mit Kinderwagen oder ältere Menschen und komfortabel für alle.
Wichtig für Reisende mit Handicaps ist vor der Buchung die Frage, ob alle Einrichtungen, die genutzt und besichtigt werden sollen, auch mit Blick auf die persönliche Beeinträchtigung geeignet sind. Sie brauchen detaillierte, verlässliche und geprüfte Informationen. Dafür haben die deutschen Tourismus- und Behindertenorganisationen ein einheitliches Kennzeichnungs- und Informationssystem (www.reisen-fuer-alle.de) entwickelt, welches jetzt auch in Berlin umgesetzt wird.
Bei der Schaffung von Barrierefreiheit, gerade im Tourismus, kann die Region schon einiges vorweisen, es bleibt aber auch noch reichlich zu tun. Zahlreiche Sehenswürdigkeiten und kulturelle Einrichtungen können barrierefrei besichtigt werden. Es gibt hervorragende Hotels wie das »Mondial«, »MitMensch« oder »Scandic« und zunehmend mehr barrierefreie Zimmer in allen Preisklassen. Straßen und Parks bieten gut ausgebaute Wege und die rund 200 City Toiletten genügend Platz für Rollstuhlfahrer. Im Nahverkehr sind alle Busse barrierefrei, bei Straßenbahnen wird die Umrüstung auf Niederflurbahnen bald abgeschlossen sein. Über zwei Drittel der S- und U-Bahnhöfe haben Aufzüge oder Rampen und jedes Jahr kommen weitere hinzu. Rund 1300 öffentliche Behindertenparkplätze stehen zur Verfügung. Vieles davon entstand im engen Zusammenwirken mit den Behindertenorganisationen, manches musste von ihnen hart erkämpft werden.
Immer wieder müssen auch Rückschritte verhindert werden, zum Beispiel als die Verkehrsbetriebe das automatische Absenken von Bussen an Haltestellen abschaffen wollten. Zu oft stoßen Reisende mit Kinderwagen, Blindenstock, Rollstuhl oder Rollator noch an vielen Orten auf Barrieren - seien es Kopfsteinpflaster, fehlende oder kaputte Aufzüge oder Baustellen auf dem Weg zur nächsten Attraktion. Der Fernsehturm ist für Rollstuhlfahrer und gehbehinderte Personen gesperrt, von den rund 7000 Taxen in Berlin sind nicht mal zehn rollstuhlgerecht, und auch die Mehrzahl der Ausflugsschiffe und deren Anlegestellen sowie zahlreiche Toiletten in der Gastronomie sind nicht barrierefrei. Hier könnte man schneller vorankommen, wenn sich der Regierende Bürgermeister und der Runde Tisch Tourismus ernsthaft mit der Thematik beschäftigen und endlich die Berliner Behindertenverbände in diesem Gremium mitwirken lassen würden.
Nützliche Informationen bieten die Internetseiten www.visitberlin.de/de/barrierefrei und www.barrierefrei-brandenburg.de.
André Nowak ist stellvertretender Vorsitzender von »Tourismus für Alle Deutschland e.V. - NatKo«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.