Militär statt Entwicklung

Heike Hänsel über die Risiken der EU-Außenpolitik und den Missbrauch von Geldern

  • Heike Hänsel
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Militarisierung der EU schreitet immer weiter voran - und macht auch vor klassischen Instrumenten der Friedens- und Entwicklungspolitik nicht mehr halt. Offen wird von der EU und den nationalen Regierungen Druck ausgeübt, um EU-Entwicklungsgelder noch mehr als bisher für die Ausrüstung von Militärs in Drittstaaten zu nutzen. Nun soll nach einem Vorschlag der EU-Kommission zudem das sogenannte Instrument für Stabilität und Frieden dazu verwendet werden, Drittstaaten aufzurüsten.

Auch wenn das Auswärtige Amt in Berlin darin keine Probleme sieht, wird der Ansatz wohl Juristen und Abgeordnete in Brüssel und den EU-Mitgliedsstaaten beschäftigen. Der Grund: Nicht nur die schon jetzt praktizierte Verwendung von Entwicklungsgeldern für militärische Maßnahmen widerspricht geltendem EU-Recht. Auch die weitere Verzahnung von Entwicklungshilfe und gemeinsamer Sicherheits- und Außenpolitik wird von Juristen in Brüssel und Straßburg kritisch gesehen.

Dennoch drängte zuletzt auch die Bundesregierung darauf, das für sieben Jahre mit gut 2,3 Milliarden Euro ausgestattete Instrument für Stabilität und Frieden für die Ausrüstung von Militärs in Drittstaaten zu nutzen. Damit wollen die Bundesregierung und knapp ein Dutzend weiterer EU-Mitgliedsstaaten die Aufrüstung gegen Flüchtlinge forcieren. Schon jetzt unterstützt die EU Polizeibehörden afrikanischer Staaten im Rahmen von »Reformen des Sicherheitssektors«. Nach Angaben der EU-Kommission ist in den Jahren 2001 bis 2009 dafür eine Milliarde Euro geflossen. Nun geht es darum, auch afrikanische Armeen finanziell zu unterstützen.

Kaum eine Rolle spielt in der Debatte, dass dies - entgegen geltendem EU-Recht - schon jetzt geschieht. Mit der 2003 beschlossenen sogenannten Afrikanischen Friedensfazilität (AFF) werden militärische Maßnahmen afrikanischer Armeen unterstützt. Der Skandal: Die AFF ist Teil des Europäischen Entwicklungsfonds (EEF). Seit über zehn Jahren werden mit Geldern aus den Entwicklungsetats der EU-Mitgliedsstaaten also Militärmissionen in Afrika finanziert.

Weil der EEF nicht zum EU-Haushalt gehört, findet all dies weitgehend ohne parlamentarische Kontrolle statt. Zudem steht dieser Missbrauch von Entwicklungsgeldern im Widerspruch zum EU-Vertrag. In dessen Artikel 208 heißt es, diese Mittel sollten für die »Reduktion und Beseitigung von Armut« verwendet werden. Die EU pervertiert dies in das genaue Gegenteil, indem sie Militärausrüstung und den Bau von Kasernen finanziert. Diese Militarisierung verschärft Konflikte und produziert neue Armut und Flüchtlinge.

Ein Blick in die Planungsdokumente der EU zeigt, wohin der Weg führt. Die sicherheits- und außenpolitischen Strategen der EU wollen die bislang offensichtlich rechtswidrige Unterstützung von Militärs in Drittstaaten ausweiten. Die Aufnahme dieses Ziels in das Instrument für Stabilität und Frieden führt dessen Auftrag ad absurdum. Denn dieser Fonds war ursprünglich geschaffen worden, um Krisenbewältigung und Versöhnungsarbeit zu finanzieren.

Die Realität sieht aber längst anders aus. In der EU-Ratsarbeitsgruppe für Entwicklungszusammenarbeit wurde unlängst die Ausstattung afrikanischer Staaten für Antiterrormaßnahmen diskutiert. In den Schlossfolgerungen der EU für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik fordern Kommandeure laufender Militäroperationen der EU, Gelder aus diesem Fond dafür einzusetzen, die Akzeptanz für ihre Missionen zu erhöhen. Und auch bei EU-Militärmanövern wie Multilayer 2016 spielt das Instrument für Stabilität und Frieden bereits eine feste Rolle.

Die Gefahren dieser Politik werden in EU-Gremien kaum bis gar nicht diskutiert. Es geht nicht um Friedenspolitik, sondern um imperiale Maßnahmen. Im Rahmen des Instruments für Stabilität und Frieden werden - etwa in der Demokratischen Republik Kongo, in Kosovo oder Afghanistan - schon lange die Polizei, der Grenzschutz oder paramilitärische Einheiten zur Aufstandsbekämpfung finanziert.

Diese Verwicklung von Entwicklungs- und Militärpolitik ist nicht nur aus friedenspolitischen Erwägungen abzulehnen. Sie ist auch brandgefährlich, weil sie die Trennung zwischen Militär und zivilen Akteuren verwischt. Die Folge: Humanitäre Helfer geraten immer stärker ins Visier von bewaffneten Akteuren. Ihre Warnungen und ihr Protest sind in Brüssel bislang ebenso wirkungslos verhallt wie in Berlin.

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