Korruption - ein Kavaliersdelikt?
MEINE SICHT
7286 Einwohner der Stadt Guben hat es nicht sonderlich interessiert, ob sie mit Klaus-Dieter Hübner (FDP) ihren korrupten Bürgermeister zurückbekommen. Sie sind am Sonntag einfach nicht zur Wahl gegangen. 4679 Einwohner hingegen haben den Namen »Hübner« angekreuzt. Entweder sie glauben an die Unschuld des Kommunalpolitikers oder sie verzeihen ihm seine Fehler. Er habe viel für die Verschönerung des Stadtbildes getan und das bisschen Rasenmähen einer Gartenbaufirma auf dem Privatgrundstück des Politikers - als Gegenleistung für städtische Aufträge - sei doch nicht der Rede wert, heißt es allenthalben. Mit Hübner verbindet sich die Hoffnung, die schweren Zeiten nach der Wende hinter sich zu lassen und einer frohen Zukunft entgegen zu gehen.
Doch ein Schuldenberg von elf Millionen Euro ist keine Kleinigkeit und Korruption ist kein Kavaliersdelikt. Das müsste eigentlich jeder einsehen, der Hübner als Macher verehrt. Trotzdem entschieden sich in der Stichwahl nur 3418 Wahlberechtigte für Kerstin Nedoma (LINKE), die sich als unbestechliche Alternative präsentierte. Das Ansehen von Politikern scheint derart erschüttert, dass ihnen moralisches Verhalten gar nicht mehr abverlangt und Bestechlichkeit als Kinkerlitzchen abgetan werden.
Hübner hat die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Er hat gewonnen. So ist das in der Demokratie. Die Wähler haben entschieden, Korruption als Kavaliersdelikt anzusehen. Damit muss man sich abfinden. Trotzdem gibt es beamtenrechtliche Vorschriften. Niemand weiß deshalb im Moment mit Sicherheit, wie es in Guben weitergeht. Das kann man als einzigartige Provinzposse bezeichnen und belächeln. Aber für die Stadt ist die Situation überhaupt nicht lustig. Ein Neuanfang ist vorerst unmöglich, weil Hübner, der schon einmal Bürgermeister war und abgesetzt wurde, die Amtsgeschäfte nun nicht einfach wieder aufnehmen kann, als sei nichts gewesen.
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