Signale an Thüringens Lehrer

Anderthalb Jahre nach dem Start von Rot-Rot-Grün stehen die Zeichen auf Neu-Verbeamtung

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 4 Min.
Sollen auch in Thüringen künftig wieder alle Lehrer verbeamtet werden? In diese Diskussion ist plötzlich sehr viel Dynamik gekommen - ausgerechnet unter einer von der Linkspartei geführten Regierung.

In Thüringen verdichten sich die Hinweise darauf, dass der Freistaat die bei ihm beschäftigten Lehrer in Zukunft wieder zu Beamten machen könnte - trotz aller Bedenken gegen eine solche Praxis. Der Vorsitzende des Thüringer Beamtenbund (tbb), Helmut Liebermann, zeigt sich angesichts jüngster Signale aus der Landespolitik deshalb schon »sehr zuversichtlich, dass es wieder zur Verbeamtung von Lehrern kommen wird«. Er habe »die große Hoffnung, dass schon die zum Februar 2017 neu einzustellenden Lehrer wieder verbeamtet werden«. Innerhalb eines halben Jahres danach müssten dann diejenigen Lehrer ein Angebot zur Übernahme ins Beamtenverhältnis erhalten, die der Freistaat in den vergangenen Jahren als Angestellte eingestellt hatte, fordert er.

Sollte die Verbeamtung von Lehrern nicht kommen, legt Liebermann sich mit einer Prognose fest - auch wenn die aktuellen Zahlen etwas völlig anderes andeuten. Verbeamte Thüringen neu einzustellende Lehrer ab Anfang des kommenden Jahres nicht, sagt Liebermann, werde es dem Land nicht mehr gelingen, alle zum August 2017 ausgeschriebenen Lehrerstellen vollständig zu besetzen.

Dass Liebermann in dieser Angelegenheit inzwischen so frohlocken kann, hat er vor allem der Thüringer SPD zu verdanken. In die seit Jahren geführte Diskussion um die Vor- und Nachteile einer Verbeamtung von Thüringer Lehrern war nämlich vor wenigen Wochen plötzlich wieder eine unerwartete Dynamik gekommen, weil Thüringens Finanzministerin Heike Taubert (SPD) einen Vorschlag dazu vorgelegt hatte, wie der Freistaat künftig für die Pensionsverpflichtungen von Beamten vorsorgen könnte. Daraufhin hatte der SPD-Finanzpolitiker Werner Pidde erklärt, eine bessere Vorsorge für Pensionen ermögliche die erneute Lehrerverbeamtung im Freistaat.

Inzwischen hat sich sogar Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) auf die Seite der Befürworter geschlagen. Diese Haltung Ramelows ist auch deshalb so bemerkenswert, weil die Linkspartei in Thüringen bislang alles andere als besonders beamtenfreundlich galt. Liebermann hatte der Partei im Streit um Einkommenssteigerungen für diese Staatsdiener vor einigen Monaten sogar einmal »Beamtenhass« vorgeworfen.

Thüringen ist neben Berlin und Sachsen das einzige Bundesland, in dem Lehrer seit einigen Jahren nicht mehr verbeamtet werden. Derzeit sind aber im Freistaat noch immer etwa 60 Prozent aller rund 17 200 Lehrer an staatlichen Schulen Beamte - was in der öffentlichen Debatte oftmals untergeht.

Allerdings ist die Verbeamtung von Lehrern grundsätzlich heftig umstritten. Kritiker dieser Praxis - zu denen auch der frühere Thüringer Finanzminister Wolfgang Voß (CDU) gehört - argumentieren, schon aus staatsrechtlichen Überlegungen heraus sollten nur solche Staatsbediensteten Beamte sein, die in einem besonderen Treueverhältnis zum Staat stehen: etwa Polizisten, Finanzbeamte oder Mitarbeiter der Justiz. Worin dieses Treueverhältnis bei Lehren begründet sein soll, sehen die Kritiker nicht. Außerdem argumentieren sie, die Verbeamtung von Lehrern belaste den Landeshaushalt übermäßig stark - was Befürworter dieser Praxis bestreiten. Am Ende ist die Frage der Kosten eine Frage der Berechnungsart.

Neben diesen Grundsatzüberlegungen gibt es aber einen weiteren Grund, aus dem heraus die Wiedereinführung der Verbeamtung von Lehrern in Thüringen aus der Sicht von Kritikern unsinnig ist: Außer der immer wieder wiederholten Behauptung des tbb und anderer Gewerkschaften gebe es keine Belege dafür, dass in Thüringen Lehrerstellen nicht besetzt werden können, weil im Freistaat Pädagogen nicht mehr verbeamtet werden. Für die landesweit 290 Lehrerstellen, die der Freistaat zum 4. August besetzten wolle, lägen derzeit mehr als 1700 Bewerbungen vor, sagt ein Sprecher des Thüringer Bildungsministeriums. Für die zum Februar 2016 etwa 200 ausgeschriebenen Stellen hatte es laut Ministerium etwa 1500 Bewerbungen gegeben.

Unabhängig von diesen Zahlen und von Grundsatzüberlegungen hält man es im Thüringen Finanzministerium indes für ziemlich unwahrscheinlich, dass in Thüringen schon ab Februar 2017 Lehrer wieder verbeamtet werden könnten - unabhängig davon auch, dass ein Sprecher des Hauses sagt, die endgültige Willensbildung innerhalb der rot-rot-grünen Koalition zu diesem Thema sei noch nicht abgeschlossen. Der schon bestehende Pensionsfonds, auf den sich Tauberts Überlegungen bezogen hätten, laufe erst ab Ende 2017. Das neue Finanzierungsmodell könnte entsprechend erst ab Anfang 2018 umgesetzt werden. »Eine denkbare Umsetzung der Verbeamtung von Lehrern sollte daher keinesfalls vor diesem Termin in Erwägung gezogen werden«, sagt Tauberts Sprecher.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.