Gott geht um im Kieler Landtag
Schleswig-Holsteins Parlament muss über religiöses Bekenntnis in der Verfassung befinden
Wie halten sie es mit Gott? Mit dieser Frage beschäftigen sich am Freitag zum wiederholten Mal die Abgeordneten des schleswig-holsteinischen Landtags. Es geht darum geht, einen Gottesbezug in der Präambel der Landesverfassung zu verankern - oder eben nicht. Alle Parteien haben dafür den Fraktionszwang aufgehoben. Drei Abstimmungsfassungen mit unterschiedlichen Formulierungen liegen vor. Unter den insgesamt 69 Parlamentariern wird eine Zweidrittel-Mehrheit benötigt - ein Unterfangen, das aller Voraussicht nach für alle drei Entwürfe scheitern wird.
In diesem Fall würde die Verfassung so bleiben wie sie ist, nämlich ohne Gottesformel. So ist es zuletzt im Oktober 2014 entschieden worden, als das entsprechende Zwei-Drittel-Quorum für ein religiöses Bekenntnis in der Präambel verfehlt wurde. Kirchenvertreter starteten daraufhin eine Volksinitiative und bekamen vergangenes Jahr über 40 000 Unterschriften zusammen (20 000 wären nötig gewesen), mit der Folge, dass sich der Landtag erneut mit dem Thema zu beschäftigen hat.
In der Präambel des Grundgesetzes ist ein Gottesbezug enthalten. Eine Gottesformel findet sich auch in den Landesverfassungen von Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Stimmt der Landtag nun nicht für einen Gottesbezug, könnten die Initiatoren der Volksinitiative, darunter unter anderem die früheren Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen (CDU) und Björn Engholm (SPD), mit einem Volksbegehren probieren, einen Volksentscheid auf den Weg zu bringen. Dafür wäre dann die Vorlage von 80 000 Unterschriften binnen sechs Monaten nötig.
»Religion ist Privatsache«, betonte bereits vor zwei Jahren der Fraktionsvorsitzende der Piraten, Patrick Breyer. Diese Haltung nimmt mehrheitlich auch seine Landespartei ein - der aktuelle Landesvorsitzende und Piratenabgeordnete Wolfgang Dudda übrigens nicht. Anke Erdmann, Mandatsträgerin der Grünen, sagte in der Plenardebatte 2014, sie trage die vier Buchstaben (Gott) im Herzen, nicht in der Verfassung.
Das Kieler Landesparlament bat vor der nun anstehenden Abstimmung in dieser Sache zu einer Anhörung. Dort hat neben anderen die Humanistische Union verfassungsrechtlich argumentiert und darauf hingewiesen, dass ein Gottesbezug einigen Vorgaben des Grundgesetzes widerspreche. Sie verweist dabei insbesondere auf die garantierte Religionsfreiheit und die damit verbundene Neutralitätspflicht des Staates.
Als eine neue Präambelvariante liegt eine Formulierung ohne direkten Gottesverweis vor, die auf dem Europäischen Verfassungsvertragsentwurf von 2004 basiert. Darin geht es um das kulturelle, religiöse und humanistische Erbe Europas als Fundament für universelle Menschenrechte und Werte, auf denen unsere staatliche Grundordnung aufbaut. Dahinter stehen bislang die wenigsten Abgeordneten. In einer zweiten Änderungsversion heißt es, man schöpfe »aus Werten, die sich aus dem Glauben an Gott oder aus anderen Quellen ergeben«. Dieser Kompromisstext wurde erst im Vormonat von SPD-Fraktionschef Ralf Stegner vorgelegt und findet über 30 Anhänger, aber bis dato eben nicht die mindestens erforderlichen 46.
Ferner gibt es den ähnlichen Vorschlag der Volksinitiative, der da heißt »In Achtung der Verantwortung, die sich aus dem Glauben an Gott oder aus anderen universellen Quellen gemeinsamer Werte ergibt…«. FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki ist sich unterdessen sicher, dass solange Gott namentlich in einen Verfassungstext hineinformuliert wird, in keiner Weise zwei Drittel der Stimmen zusammenkommen werden.
Darüber wird am Freitag in Kiel abgestimmt: www.landtag.ltsh.de/export/sites/landtagsh/plenumonline/archiv/wp18/44/bilder/umdruck-18-6437.pdf
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