Amoklauf in München: Das Netz ist dabei

Tausende Tweets und Postings zeigen die rege Auseinandersetzung mit den aktuellen Ereignissen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Jeder, der an diesem Freitagabend in der Nähe des Münchner Olympiaeinkaufszentrums ist und ein Handy besitzt, kann in den ersten Minuten und Stunden nach der Schießerei zum globalen Berichterstatter werden: Foto machen, Video drehen, alles hochladen. Dazu geistern Gerüchte durch's Netz. Viele Beiträge zeugen aber auch von Vernunft und Menschlichkeit.

Polizei warnt: Bitte keine Videos und Fotos hochladen

Die Polizei in München zeigt sich auf Facebook und Twitter sehr aktiv und umsichtig. Auf deutsch, französisch, englisch und türkisch bitten sie die Bürger, umsichtig zu sein und in den Häusern zu bleiben. Und warnt eindrücklich: Stellt keine Fotos, keine Videos ins Netz. Es wäre immerhin möglich, dass die Täter sich das Gezeigte zunutze machen. Das gilt für den Fall, dass die Bewaffneten sich noch vor Ort oder auf der Flucht befinden.

»Bitte postet keine Bilder von Opfern. Das ist pietätlos& gehört nicht auf Twitter oder andere Netzwerke«, schreibt die Polizei Thüringen. »Helft nicht den Tätern«, bittet auch die Bundespolizei, die ihre Spezialeinheit GSG9, bereits per Hubschrauber aus Bonn auf dem Weg nach München. Hamburg kommentiert: Diese Bitte hat nichts mit Zensur zu tun. Beamte aus Nordrhein-Westfalen »wünschen den Kolleginnen und Kollegen in München viel Erfolg bei diesem schwierigen Einsatz«. Aus Thüringen kommt der Tweet: »Passt auf euch auf. Unser Mitgefühl den Opfern und Angehörigen.« Derartige Bitten werden von Internetnutzern umgehend kommentiert. Zumeist positiv.

Nicht alle bleiben vernünftig: Gefälschte Fotos und Videos im Umlauf

Einige Nutzer missbrauchen die unübersichtliche Situation für die Stärkung ihres eigenen Profils und bringen gefälschte Bilder vom dem Anschlag in Umlauf. Einige solcher Fake-Postings hat die Internetplattform Buzzfeed gesammelt. So geht auf Twitter ein Foto herum, dass am Boden liegende Menschen in einem Einkaufszentrum zeigt, umgeben von Blut. Das Bild sei jedoch nicht in München, sondern in Südafrika nach einem Überfall 2015 aufgenommen worden.

Andere Bilder sollen den angeblichen Schützen zeigen. Der Mann, der auf den Fotos zu sehen ist, wurde aber bereits mit mehreren Schießereien in den USA in Verbindung gebracht und hat mit aktuellen Geschehnissen nichts tu tun.

Nutzer erinnern die Medien an ethische Grundsätze

Dann sind es wiederum die Nutzer selbst, die erinnern Medien an ethische Grundsätze erinnern. Einige wenden sich an deutsche TV-Sender, die pausenlos berichten, mit allerlei Videos und Fotos. »Ich will keine abgedeckten toten Menschen sehen«, beschwert sich eine Julia. Ein Thomas vermittelt Erfahrungen von vorangegangenen Anschlägen im Ausland: »Leute,macht es wie die Belgier bei Terroralarm: stellt Katzenbilder ins Netz, keine Streams von Polizeiaktionen.« In Windeseile posten viele Nutzer Katzenbilder – als Ausdruck von Vernunft und Anstand.

Andere bieten jenen Menschen Obdach und Schutz an, die aus München aufgrund des lahm gelegten Nah- und Fernverkehrs nicht mehr wegkommen: Unter anderem ein Münchner Hotel, aber auch zahlreiche Privatleute.

Fünf Jahre nach Breivik-Attentat: Terroranschläge können spalten

Auch das gibt es im so oft gescholtenen Netz. Hugo Müller-Vogg, ein bekannter Publizist, der schon mehrere Bücher über die Kanzlerin sowie den einstigen Bundespräsidenten Horst Köhler verfasst hat, empört sich über Twitter- und Facebook-Eintragungen extrem rechter User: »Unglaublich, dass Rechtspopulisten und Rechtsradikale bei völlig ungeklärter Lage bereits Schuldzuweisungen vornehmen.«

Diesen politischen Aspekt greift ein Twitter-Teilnehmer names Abuin auf spezielle Art auf: Alle islamfeindlichen Deutschen, so vermutet er, hoffen, dass es »ein islamistischer Anschlag war«. Alle Muslime dagegen »hoffen auf einen Nazianschlag«. Das ist sicher übertrieben und kurzschlüssig sein, zeigt aber, wie sehr Terroranschläge die Gesellschaft spalten können. Und das an einem Tag, an dem man nicht nur im betroffenen Norwegen der 76 wehrlose Menschen gedacht hat, die der selbsternannte »Herrenmensch« Anders Behring Breivik umgebracht hat, um »das Abendland zu retten«. Die noch immer unfassbare Tat geschah vor genau fünf Jahren.

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