Ein Haus für Onkel Herbert
Sachsens SPD errichtet in Dresden eine Zentrale / Neubau soll auch für die Partei werben
Der Satz des Architekten irritiert zunächst. »Die Einheit der SPD Sachsen kann auf zwei Weisen erreicht werden«, steht unter dem Bild eines schicken Großraumbüros. Gibt es in der einstmals grässlich zerstrittenen Partei, die sich zwischenzeitlich zusammengerauft hat und seit 2014 geräuschlos mit der CDU den Freistaat regiert, etwa wieder Krach und Flügelkampf? Nein, der nächste Satz im Exposé bringt Entwarnung: Der Architekt gibt nur zu verstehen, dass die neue Zentrale des SPD-Landesvorstands über zwei Zugänge verfügt.
Zu finden sein wird diese ab 2018 in einem eigenen Domizil: dem »Herbert-Wehner-Haus« Dresden. Es soll ab Ende 2016 in bester Innenstadtlage, nur einen Katzensprung vom sächsischen Landtag entfernt, gebaut werden und neben der Geschäftsstelle der Landespartei und jener der Region Dresden auch die Herbert-Wehner-Stiftung und das nach ihm benannte Bildungswerk beherbergen. Zudem wird auch die Arbeiterwohlfahrt Büros beziehen.
Die SPD hegt in ihrer früheren Bastion Sachsen schon lange Pläne, ein eigenes Haus zu beziehen; es sei »vorgesehen, dass im Rahmen der Rückgewinnung des SPD-Eigentums ein Haus gefunden wird«, in dem das Bildungswerk angesiedelt werden könne, erklärte der Landesvorstand bereits 1991. Doch während die Partei in Städten wie Leipzig oder Halle Gebäude zurück erhielt, die früher ihr selbst oder ihr nahestehenden Zeitungen und Verlagen gehörten, waren die entsprechenden Immobilien in Dresden nicht mehr vorhanden. Man wollte deshalb neu bauen. Bauherr ist die »Konzentration GmbH«, in der das gesamte Immobilienvermögen der SPD gebündelt ist.
Schon lange stand auch der Name des Hauses fest: Es sollte nach Herbert Wehner benannt sein, der 1906 in Dresden geboren wurde und später stets »an seiner Heimatstadt hing«, wie Dirk Panter, der Fraktionschef im Landtag, sagt. Wehner starb 1990; seine Witwe Greta Wehner aber zog 1996 nach Dresden und brachte auch Archiv und Bibliothek des Politikers mit. Die heute 91-Jährige, die lange Stammgast der sächsischen SPD-Parteitage war, gehörte zu den eifrigsten Verfechtern der Idee: »Wenn ich könnte, würde ich hier in Dresden für das Herbert-Wehner-Bildungswerk ein Haus bauen, mit Platz für Schulungsräume und Bibliothek«, sagte sie 1994. Im gleichen Jahr berichtete die SPD-Parteizeitung »Vorwärts« über eine Aktion unter dem Namen »Ein Haus für Onkel Herbert«.
Der etwas flapsige Slogan wird inzwischen nicht mehr verwendet; das Haus aber wird entstehen - und auch Greta Wehner kennt die erfreuliche Nachricht, obwohl es ihr derzeit »nicht gut geht«, wie Panter bei Vorstellung der Entwürfe sagte. Diese sehen ein Haus mit einer Fassade vor, in der rohe Sichtbetonplatten große Fenster einfassen. Sie sind durch Pigmente von Ziegelstaub rot eingefärbt und erinnern Beobachter dadurch an eine alte Fabrik. Die Architekten attestieren dem Entwurf einen »robusten und offenen Charakter«; auch von einer »einladenden Identität« ist in den Exposés die Rede.
Tatsächlich dürfte es die zentrale Intention der Genossen sein, mithilfe des attraktiven Baus die Dresdner und Sachsen auf die Partei aufmerksam zu machen - eine Partei, die zwar schon zum zweiten Mal im Freistaat mitregiert, aber von einstigen sächsischen Hochzeiten weit entfernt ist. Im Freistaat gibt es gerade einmal 4415 Genossen, Tendenz fallend. Die SPD hat zwar prestigeträchtige Ämter wie die OB-Posten in Leipzig und Chemnitz inne, führt ansonsten aber nicht mehr allzu viele Rathäuser und stellte in 25 Jahren neuerer Geschichte des Freistaats nur eine einzige Landrätin. Etwas Aufmerksamkeit würde da nicht schaden - und eine rote Fassade in unmittelbarer Nähe von Zwinger und Semperoper kann dafür sorgen. Man wolle »prominent im Stadtbild vertreten sein«, sagt Panter - »weil wir im Land noch einiges vorhaben«.
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