CSU-Schlussfolgerung: Her mit dem starken Staat!
Politiker aller Parteien fütterten Medien mit altbekannten Forderungen und allzu viel banalem Gerede
Thomas de Maizière (CDU) und andere Mitglieder der Bundesregierung haben ein anstrengendes Wochenende hinter sich. Kaum in den USA gelandet, hat sich der Bundesinnenminister wieder auf den Rückflug gemacht. Im Münchner Lagezentrum ließ er sich über den Stand der Dinge informieren. Bis dahin hatte Kanzleramtsminister und Parteifreund Peter Altmaier, der unter anderem für die Geheimdienste zuständig ist, die mediale Stallwache übernommen. Er musste lange Interviews geben, in denen er - mangels gesicherter Nachrichten - aber nichts von Substanz sagen konnte.
Als sich im Laufe des Samstagmorgen herausstellte, dass es sich um den Amoklauf eines einzelnen Jugendlichen ohne terroristischen Hintergrund gehandelt hat, war in Regierungskreisen ein verhaltenes Aufatmen zu verspüren. Das war der Moment, in dem sich die Kanzlerin meldete. Angela Merkel lobte - wie Politiker aller Parteien - die Einsatzkräfte für ihre »hoch professionelle« Arbeit. Deutschland trauere »mit schwerem Herzen um die, die nie mehr zu ihren Familien zurückkehren werden«. Jetzt gehe es darum, »die Morde vollständig aufzuklären«.
Klar, das sah der inzwischen mit allen verfügbaren Informationen versehene de Maizière nicht anders. Es müsse ermittelt werden, wie sich der Täter die Waffe beschafft habe und ob es »gegebenenfalls noch gesetzlichen Handlungsbedarf gibt«. Er verwies auf die Waffengesetze, die in Deutschland streng seien, doch auf europäischer Ebene müsse man durch die Verabschiedung einer vorliegenden Waffenrichtlinie weitere Fortschritte erreichen.
Auch wenn die Polizeien solide und kameradschaftlich gearbeitet hatten, so müsse man sich deren Einsatzkonzepte auch noch einmal anschauen. Sodann rettete sich de Maizière ins allgemein Psychologische. Er rief die Bevölkerung zur Wachsamkeit auf. »Wenn Menschen sich verändern, psychisch auffällig werden oder sich radikalisieren«, bedeute das eine besondere Herausforderung für ihre Familien, für Freunde und behandelnde Ärzte und Therapeuten. Bei solchen Anzeichen von Veränderungen muss man professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, weil das direkte Umfeld des Betroffenen alleine schnell überfordert ist.
Ähnliche Allgemeinplätze verteilte Vizekanzler Sigmar Gabriel. Er forderte, es müsse alles getan werden, um »den Zugang zu tödlichen Waffen zu begrenzen und streng zu kontrollieren«. Ein labiler oder sogar psychisch kranker 18-Jähriger dürfe nicht an Schusswaffen gelangen, betonte der SPD-Vorsitzende. Staat und Gesellschaft müssten bei psychisch instabilen Menschen »hinsehen und intervenieren - gerade bei Jugendlichen«.
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) versprach nach einer Sondersitzung seines Kabinetts: »Die Bevölkerung kann sich darauf verlassen, dass wir als politisch Verantwortliche alles Erdenkliche tun werden, um unsere Bevölkerung zu schützen.« Er ließ durchblicken, dass es mehr Geld für die Polizei geben soll, um mehr Personal und bessere Ausrüstungen zu erhalten. Innenminister Joachim Herrmann, gleichfalls CSU, verlangte Unterstützung durch zusätzliche Sicherheitskräfte. In »extremen Situationen« solle man »auf die Bundeswehr zugreifen können«. Im Bayerischen Rundfunk betonte der CSU-Politiker, die Bürger erwarteten einen starken Staat. Bisher darf die Bundeswehr im Innern der Polizei nur Amtshilfe leisten, jedoch nicht selbstständig tätig werden - eine Konsequenz aus der leidvollen deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Die er aber offenbar bereit ist, über Bord zu werfen. Oder ist das bereits geschehen?
In München war am Freitagabend - als aus allen Ecken der Stadt Anschlagsgerüchte in die Medien drangen - eine Feldjägereinheit in Bereitschaft versetzt worden. Die Bundeswehr, so sagte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) im Verlaufe des Abends, sei darauf eingestellt, unter bestimmten Umständen einen möglichen Einsatz der Streitkräfte im Inneren durchzuführen. Welchen Part die Militärpolizei der Bundeswehr übernehmen sollte, was die Soldaten eventuell besser als die Polizisten können, sagte die Ministerin nicht.
Der Innenpolitiker der Grünen-Fraktion im Bundestag, Konstantin von Notz, warf per Twitter der CSU vor, »schon während des Amoklaufes am OEZ Profit aus den grauenvollen Vorgängen zu schlagen«.
Tief betroffen äußerte sich auch der Fraktionschef der LINKEN im Bundestag. Dietmar Bartsch dankte den Polizisten, den Ärzten und allen Einsatzkräften. In Gedanken sei man bei den Angehörigen der Opfer und wünschte den Verletzten rasche und vollständige Genesung. »Die Sicherheit und Unversehrtheit aller Menschen in unserem Land muss oberste Priorität haben. Jeder einzelne Mord ist schändlich. Das scheinen jene vergessen zu haben, die sich reflexartig in fremdenfeindlichen Tiraden ergossen, obwohl es bis jetzt noch keine Klarheit über die Tathintergründe gibt. Fremdenhass schützt aber unsere Bürgerinnen und Bürger nicht, sondern spaltet unsere Gesellschaft.«
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