Sanders ruft in Philadelphia zur Wahl von Clinton auf

Beim Auftakt des Parteitags der US-Demokraten in Philadelphia steht vor allem die Einigkeit gegen Trump im Vordergrund

  • Max Böhnel, Philadelphia
  • Lesedauer: 4 Min.

Der demokratische Sozialist Bernie Sanders hat in einer Abschlussrede zum Auftakt des Parteitags der USA-Demokraten am Montagabend (Ortszeit) zur Unterstützung und zur Wahl seiner Vorwahlrivalin Hillary Clinton aufgerufen. Gleichzeitig betonte Sanders, die »politische Revolution« müsse über die Wahlen hinweg weitergeführt werden.

»Wahlen kommen und gehen, aber der Kampf der Bevölkerung um eine Regierung, die uns alle und nicht nur das eine Prozent repräsentiert, geht weiter, um eine Regierung, die auf den Grundlagen von wirtschaftlicher und sozialer Gerechtigkeit, auf Antirassismus und Umweltschutz beruht«, sagte Sanders. Er dankte seinen Mitstreitern und wies auf das »fortschrittlichste Parteiprogramm« hin, das die Demokraten je hatten. Die darin enthaltenen Forderungen gelte es gegen Donald Trump und die Republikaner durchzusetzen - mithilfe einer progressiven Bewegung, einem demokratisch kontrollierten Kongress und Hillary Clinton als Präsidentin. Der Wahlaufruf für Clinton war eine bittere Pille für die meisten Delegierten – vor allem jungen standen Tränen in den Augen. Aber Sanders hatte genau diesen Schritt bereits vor Monaten angekündigt.

Vor Sanders hatten sich zahlreiche Kongressabgeordnete, Senatoren und Gouverneure sowie First Lady Michelle Obama für Clinton ausgesprochen.

Der Auftakt zum viertägigen Parteitags wäre fast zu einer Blamage für die Parteiführung und die designierte Nominierungskandidatin geworden. Denn die schlechte Stimmung, die die Enthüllungen der Internetplattfom Wikileaks bei den Anhängern und Delegierten des demokratischen Sozialisten Sanders am Wochenende erzeugt hatte, wuchs sich weiter aus und verstärkte das Misstrauen in die Parteiführung.

Wikileaks zugespielte Emails, wenige Tage vor dem Parteitag veröffentlicht, unterstrichen schwarz auf weiß, was Sanders im Vorwahlkampf mehrmals beklagt hatte: dass die zur innerparteilichen Neutralität verpflichtete Führung, das Democratic National Committee DNC, sich im Vorwahlkampf einseitig hinter Clinton und gegen Sanders stellte. In dem veröffentlichten E-Mail-Verkehr wird der Habitus von etlichen DNC-Spitzen deutlich: herablassend und offenbar auch zu miesen Tricks bereit, um Sanders eins auszuwischen. Das Ziel: um jeden Preis seine Vorwahlchancen vermindern.

Um die Sanders-Anhänger zu besänftigen, kündigte die Parteichefin Debbie Wasserman Schultz am Sonntagabend ihren Rücktritt an. Noch am Montagmorgen ging eine relativ unwichtige Ansprache, die sie intern vor Parteitagsdelegierten aus Florida halten wollte, in Buhrufen unter. Nur Stunden vor der Eröffnung der Democratic Convention ließ sie mitteilen, dass sie auch dafür nicht zur Verfügung stehe.
Dass Wasserman Schultz aus der Schusslinie gezogen wurde, dämpfte aber den Ärger vieler Sanders-Anhänger und -Delegierter nicht, weder draußen noch drinnen. Vor den Eingängen zum von der Polizei abgeriegelten Wells-Fargo-Center sammelten sich Hunderte, darunter viele Parteigänger der US-Grünen. Mehr als dreißig Menschen, die sich zum Sit-In niederließen, wurden dabei festgenommen.

Bernie Sanders hielt am Montagnachmittag vor Hunderten von Delegierten eine Ansprache, in der er für deren Wahlkampfunterstützung für Clinton warb. Doch dafür wurde selbst er ausgebuht. Minuten vor der Eröffnung des Parteitags verschickte er an alle seine Delegierten eine SMS mit der dringenden Bitte, »Proteste im Plenum zu unterlassen«. Alles andere schade letztendlich der Bewegung.

Innerhalb der Arena drohte die Stimmung während der ersten Reden von Parteifunktionären und Politikern zu kippen. Hunderte erwiderten auf jede positive Bezugnahme von Hillary Clinton mit lauten »Bernie, Bernie«-Sprechchören. Andere riefen »war hawk, war hawk« (Kriegstreiberin) oder »not for sale« (wir sind nicht käuflich).

Gegenüber »nd« sagte ein pensionierter Soziologieprofessor und Delegierter aus Ohio, der hinter Bernie Sanders steht, er wisse von Dutzenden seiner Kollegen, die bereit zu Sitzstreiks und Aktionen zivilen Ungehorsams seien, um »vor der Weltpresse auf die korrupte Führung dieser Partei hinzuweisen«. Doch dazu kam es am Montag nicht. Mehrere Blogger berichteten, die Clinton- und Sandersstrategen hätten seit den frühen Morgenstunden in ständigem Kontakt zueinander ihre Schritte koordiniert. Ziel sei es von beiden Seiten, den Parteitag so störungsfrei wie möglich zu gestalten, um den Trump-Republikanern keinen Gefallen zu tun.

Die Stimmung der Delegierten sollte sich am Dienstag erneut äussern, als Bundesstaat für Bundesstaat zu Stimmabgaben für Sanders und Clinton aufgerufen waren und die Nominierung damit amtlich feststeht. Ausserdem wird sich zeigen, ob die Krönung von Hillary Clinton durch ihre Parteiabschlussrede am Donnerstagabend störungsfrei verlaufen wird.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.