Wie ein Blitzeinschlag

In Online-Medien und über soziale Netzwerke verbreiten sich Eilmeldungen zu Anschlägen rasend schnell

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.

Die gute Nachricht zuerst: Die französische Zeitung »Le Monde« wird zukünftig keine Bilder mehr von Terroristen veröffentlichen und auf die Wiedergabe von IS-Propagandamaterial verzichten. Damit, so die Zeitung, wolle man »eventuelle Effekte der posthumen Glorifizierung« vermeiden.

Leider ist »Le Monde« die rühmliche Ausnahme von der Regel. Selbst Medien, deren Geschäft nicht das des Boulevards ist, lassen sich eher von den Ereignissen bestimmen denn von dem, was ihr eigentliches Geschäft sein sollte: das der rationalen, einordnenden, faktenbasierten Berichterstattung. Der Schweizer Journalist Urs P. Gasche geht auf infosperber.ch deshalb mit seiner Zunft hart ins Gericht. So habe es der Täter von München, der vor Wochenfrist bei einem Amoklauf neun Menschen tötete, zu vielen Schlagzeilen gebracht, in denen das Wort »Terror« verwendet worden sei. Leser und Zuschauer würden aber »Terror« gedanklich mit dem IS, »mit Ausländern und mit der Immigration in Verbindung bringen. Auf jeden Fall flößt ein ›Terrorist mit möglichen Verbindungen zum Isis‹ bedeutend mehr Angst ein als die Tat eines ›Amokläufers‹«, so Gasche.

Dabei sei das tatsächliche Risiko, in Paris, Nizza, München oder in der US-Stadt Orlando Opfer eines Terroranschlags oder eines Amokläufers zu werden, äußerst gering. Gasche beruft sich auf den britischen Ökonomen Tim Harford, der in der »Financial Times« die Wahrscheinlichkeiten, eines unnatürlichen Todes zu sterben ermittelt hat und zu dem Schluss kommt, dass sowohl in Europa als auch in den USA die Gefahr, wegen eines Terroranschlags ums Leben zu kommen, vergleichbar mit dem Risiko sei, durch einen Blitz getroffen zu werden.

»Blitzexperten« gibt es im deutschen Fernsehen keine, und wenn, dann würde man im Ernstfall Meteorologen als solche präsentieren. Oder Georg Mascolo. Der frühere Chefredakteur des »Spiegel«, der heute den Rechercheverbund von NDR, WDR und »Süddeutscher Zeitung« leitet, trat in den vergangenen Tagen mehrfach als »Terrorexperte« in der ARD auf. Bernd Ziesemer kommentierte auf bilanz.de die Auftritte mit der Bemerkung, Mascolo verfüge »offenbar über eine multiple Persönlichkeit«. Er sei in anderen Sendungen »auch schon als ›Finanzexperte‹ (Panama Papers), ›DDR-Experte‹ (Jahrestag des Mauerfalls) oder ›Geheimdienstexperte‹ (BND-Skandal)« aufgetaucht. Mascolos Vorteil sei, so Ziesemer, dass er »relativ intelligent über jedes Thema plaudert - auch wenn er nicht wirklich etwas über das Thema weiß. «Solche Experten liebt man im Fernsehen, wo nichts wichtiger in einer Sondersendung ist, als solange zu reden, bis endlich wieder neue Nachrichten hereinkommen.»

Die klassischen Medien aber sind längst schon dem Diktat der über die Online-Medien verbreiteten und in den Netzwerken hektisch kommentierten Eilmeldungen unterworfen. Die Bloggerin Meike Lobo fragt sich auf fraumeike.de, welchen Sinn es hat, immer wieder hektisch auf Aktualisieren zu klicken, und hat diese Frage für sich so beantwortet, dass sie bei den schlimmen Ereignissen der vergangenen Woche irgendwann Twitter abgeschaltet hat.

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