Schluss mit Zwangsstrand?

Klassische Werksferien werden immer seltener

  • Annika Grah, Wolfsburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Drei Wochen frei am Stück - so mancher Arbeitnehmer muss dafür in der Hauptferienzeit hart mit seinem Chef kämpfen. Gerade in der Autoproduktion, wo es noch die klassischen Werksferien gibt, werden Mitarbeiter vielerorts auch unfreiwillig solange in die Ferien geschickt. Doch trotz der Werksferien sind nicht alle Fabriken menschenleer.

Bei Volkswagen sind die Mitarbeiter in fast allen niedersächsischen Werken erst dieser Tage aus der dreiwöchigen Auszeit zurückgekehrt. Nur in Osnabrück dauern die Werksferien noch bis Ende Juli. Im Motorenwerk in Chemnitz in Sachsen sowie im Presswerk in Zwickau zeigt der Autobauer genau wie im hessischen Kassel einen mehrwöchigen »Urlaubskorridor« an, sagt ein Sprecher. Innerhalb dieser Zeit soll der Haupturlaub von drei Wochen genommen werden. Ganz ausgestorben ist die Produktion an den Standorten allerdings nicht: In Wolfsburg etwa werde mit reduzierten Schichten, mit Mitarbeitern, die keinen Urlaub nehmen wollen, und Ferienjobbern weitergearbeitet, sagte ein Sprecher. Auch bei Audi in Ingolstadt und Neckarsulm sind die Auszeiten aufgeweicht. In Ingolstadt sei im August wegen der guten Auftragslage nur eine leicht abgesenkte Produktion mit dem Betriebsrat vereinbart worden, sagte eine Sprecherin. Dort werden etwa 80 Prozent der normalen Kapazität am Tag produziert. Nur bei der VW-Tochter Porsche ruht die Produktion für drei Wochen komplett. Seit dem 18. Juli werden in Leipzig keine Autos mehr zusammengeschraubt, vom 1. August stehen die Bänder am Stammsitz in Stuttgart-Zuffenhausen still.

Grundsätzlich hat der Betriebsrat ein Wörtchen mitzureden: Die Werksferien müssen intern begründet und über den Betriebsrat abgestimmt sein, sagt eine IG-Metall-Sprecherin. In einigen Unternehmen werden jedes Jahr von neuem die Urlaubsgrundsätze und damit auch die Werksferien festgelegt. Wehren können sich die Mitarbeiter trotz aller Rufe nach Individualität nicht gegen die Werksferien: »In der Regel haben die Beschäftigten keine Chance, soweit die Betriebsferien nicht den gesamten gesetzlichen Urlaubsanspruch umfassen«, sagt Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin. Normalerweise dürfen Arbeitnehmer den Zeitpunkt ihres Urlaubs frei bestimmen. Im Bundesurlaubsgesetz unter Paragraf sieben ist aber nachzulesen, dass dringende betriebliche Belange dem frei gewählten Urlaubszeitpunkt entgegen stehen können. Wie viel Urlaub der Arbeitgeber verplanen darf, ist nach Ansicht von Bredereck Verhandlungssache. 1981 urteilte das Bundesarbeitsgericht, es sei angemessen, wenn drei Fünftel des Urlaubsanspruchs von Betriebsferien vereinnahmt werden können (Az.: 1 ABR 79/79).

Tatsächlich sind in einigen Großkonzernen Werksferien gar kein Thema mehr: Bei Siemens in Berlin etwa, wo der Industriekonzern mit mehr als 10 000 Mitarbeitern Gasturbinen produziert, wird durchgearbeitet. Schließlich seien 90 Prozent der Produktion für den Export gedacht, so ein Sprecher. Ferienjobber seien keine Alternative, da nur hoch qualifizierte Mitarbeiter in der Produktion beschäftigt würden.

Auch beim Autohersteller Daimler wird die Produktion schon seit Jahren nicht mehr im Sommer gestoppt. Schuld sei die hohe Auslastung, sagte ein Sprecher. Gegen ungelernte Kräfte hat man bei den Stuttgartern nichts, im Gegenteil: Damit die Daimler-Mitarbeiter auch in den Schulferien in Urlaub fahren können, stellt der Autobauer in diesem Jahr mehr als 16 000 Ferienjobber ein. dpa/nd

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