Alles Gülen, oder was?

Erdogans Willkür macht weder vor NATO-Generalen noch vor Konzernmanagern halt

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Die »Säuberungsaktion« der türkischen Regierung macht an den Landesgrenzen nicht Halt. Ranghohe NATO-Militärs sind betroffen. Und auch unter Diplomaten geht die Angst um.

Berlin. Die türkische Regierung hat nach dem gescheiterten Putsch mehrere Generale von ihren Aufgaben bei der NATO entbunden. Nach dpa-Informationen sind die zwei türkischen Mitglieder im Führungsstab des Afghanistan-Einsatzes betroffen. Zudem wurde kurz nach dem Umsturzversuch gegen Präsident Erdogan der türkische Stabschef im Landstreitkräfte-Hauptquartier in Izmir festgenommen.

Die EU-Kommission betätigte, dass ihren Informationen zufolge auch türkische Diplomaten im Visier von Ermittlungen zum Putschversuch stehen. Nach Informationen der dpa sollen weltweit bereits mindestens 88 Personen von ihren Posten abberufen worden sein - darunter auch Botschafter.

Der türkische Innenminister Efkan Ala sagte am Freitag, inzwischen seien 18 044 Verdächtige mit mutmaßlichen Verbindungen zur Gülen-Bewegung festgenommen worden. Gegen 9677 sei Haftbefehl erlassen worden. In der Debatte über Wiedereinführung der Todesstrafe erwäge die Regierung in Ankara eine Volksabstimmung, hieß es.

Am Freitag wurden der Chef des Boydak-Konzerns, Mustafa Boydak, und zwei weitere Manager des Familienunternehmens festgenommen, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Gegen drei weitere Manager wurden Haftbefehle erlassen. Boydak wurde laut Anadolu in der zentraltürkischen Stadt Kayseri in Gewahrsam genommen. Mit Sükrü und Halit Boydak wurden demnach noch zwei weitere Mitglieder der Unternehmensleitung inhaftiert. Haftbefehle wurden auch gegen den früheren Konzernchef Haci Boydak sowie die Verwaltungsratsmitglieder Ilyas und Bekir Boydak erlassen. Die Boydak-Holding ist im Energie- und Finanzsektor aktiv. Das Familienunternehmen besitzt zudem die Möbelmarken Istikbal und Bellona.

In Deutschland sorgte zuletzt vor allem die türkische Forderung, auch hierzulande gegen die Bewegung des Predigers Gülen vorzugehen, für Unmut. Zum Begehren nach einer Auslieferung angeblicher Putschisten verlangte der Deutsche Richterbund konkrete Beweise. Eine Auslieferung auf bloßen Zuruf aus Ankara werde es nicht geben, erklärte der Vorsitzende Jens Gnisa. Der Sprecher der Gülen-Bewegung in Deutschland, Ercan Karakoyun, erhält einem Bericht zufolge seit dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei Morddrohungen.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagte, für die Behauptung, die Gülen-Bewegung stehe hinter dem Putsch, gebe es »keine Belege«. In einem Schreiben hatte der türkische Generalkonsul in Stuttgart, Ahmet Akinti, die baden-württembergische Landesregierung aufgefordert, Einrichtungen der Gülen-Bewegung zu überprüfen. Vor der Pro-Erdogan-Demonstration am Sonntag in Köln mit Zehntausenden Teilnehmern hat die Polizei derweil ein hartes Vorgehen gegen jede Form von Gewalt angekündigt. Agenturen/nd Seite 4

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