Wasser - belebend oder bedrohend
In der Ausstellung des Künstlersonderbundes bei der KPM Tiergarten purzelt so manches durcheinander
Der »Künstlersonderbund in Deutschland e.V.« schreibt seit jeher den »Realismus der Gegenwart in Malerei, Grafik und Plastik« auf seine Fahnen. Sein Programm, immer wieder als althergebracht denunziert, ist dennoch nicht totzukriegen. Ja, es kann durch einen wachsenden Teil der Künstlerschaft neuen Auftrieb bekommen. Nimmt seine aktuelle Schau die Chance einer Verjüngung wahr? Leider nein. Diesseits des Geburtsjahrgangs 1960 ist nur ein Bruchteil der Ausstellenden zu finden. Nur der Düsseldorfer Bildhauer Bernhard Kucken fällt mit der imposanten Stahlplastik »Flut« gleich am Eingang ins Auge. Dank solch vitaler neuer Impulse wird das Realistische wieder an Boden gewinnen.
Nun hat diese Künstlervereinigung endlich einen zentralen Ausstellungsplatz mitten im Berliner Zentrum gefunden. Nachdem man mehrmals etwas abgelegen im Straßenbahndepot der Uferhallen im Stadtteil Wedding ausstellte, gibt es nun einen prominenter Gastgeber mit respektablem Areal. Die altehrwürdige Königliche Porzellanmanufaktur, unter dem Kürzel KPM allgemein bekannt, verfügt am S-Bahnhof Tiergarten über eine prachtvolle Liegenschaft voller edler Architektur. Das Gebäude der ehemaligen Schlämmerei macht es nun auf vier Etagen den mit 150 Werken vertretenen Künstlerinnen und Künstlern möglich, ein spezielles aktuelles Thema allseitig kompetent auszuschöpfen.
Das Schöpfen mag man getrost wörtlich nehmen: Es geht um den Themenkomplex »Wasser«. Da die Ausstellung den halben Juli und den ganzen August füllt, können wir das getrost eine Sommerausstellung nennen. Wenn Badefreuden locken, darf sich der Mensch in unverhüllter Nacktheit zeigen. Einladung zur Lebensfreude im Einssein mit dem feuchten Element. Und idyllische Wasserlandschaften entwickeln eine eigene ästhetische Poesie. Als schroffer Kontrast dazu bietet sich der Klimawandel an. Flutkatastrophen und Wassermangel als globale Menschheitsbedrohung. Da gibt es malerisch Untergangsszenarien zu bewältigen: Wasserarmut und Durst, Meeresweite und Ertrinken der Flüchtlinge. Die Grenzen realistischer Darstellung tun sich auf, will man mit malerischen Mitteln dabei dem Foto den Rang ablaufen.
Michael Mohr setzt das »Gerettet« eines Kleinkindes drastisch übersteigert groß ins Bild. Christoph Wetzel malt illusionistisch das Foto des ertrunkenen Ailan Kurdi, das um die Welt ging, und opfert damit die eigene Bildfindung. Klaus Seitz zeigt die Schlange der Menschen, die auf Wasserzuteilung warten. Geradezu direkt. Andere Bildfindungen steigern sich zu künstlerischer Originalität. Klaus Tenner beschwört magisch die Vision der das Häusermeer bedrohenden Flutwelle herauf. Horst Rellecke findet die Metapher für die versunkenen Geräte geheimen Abhörens im New Yorker Untergrund. Hans-Georg Dornhege macht sich von realistischer Genaunehmerei völlig frei in der malerisch furiosen Beschwörung »Kardinal am Meer«: eine Autorität, in Auflösung begriffen.
Das macht Realismus attraktiv: Er bezieht Stellung zum Menschen. Gesellschaftliche Konflikte werden mitunter bis ins Groteske ironisiert. Hans Stein hat 2010 Heiligendamm als Treff der G 8 beobachtet und bringt die Aufbringung eines FKK-Nackten durch vermummte Security dennoch zum achtbar gemalten Bild. Michael Otto inszeniert großzügig eine dicht bevölkerte Strandszene, übermächtig allein der Hund.
Manfred Pasieka legt die martialisch gefangene Forelle in dramatisch erregter Szenerie so eklig parat, dass der Verzehr entbehrlich werden muss. Immerhin schön, wenn wir Betrachtenden gelegentlich zum Lächeln verführt werden.
Weibliche Namen sind, angeführt von der Nestorin Tremezza von Brentano, in diesem Bund oft von Adel. Die Brentano zeigt sich hier mit »Kommende« dem aktuellen Konflikt zwischen »uns und denen« auf ganz plakative Art gewachsen. Als eine der Jüngeren nimmt Gala von Reichenfels grafisch originell Bezug zur KPM unter der »Gezeitenwelle«. Christa Biederbick modelliert sympathisch schlicht das »Kind mit Schwimmflügel«. Monika Sieveking wagt es, die diffuse Widerspiegelung von Sonnenlicht auf der Oberfläche des Wattenmeeres zu thematisieren. Mittendrin ein verlorener Hund. Der Realismus braucht eben Bildideen. Evelyn Bauers »Rückenansicht am See« leistet das allein mit dem Bildaufbau.
Die dankenswerterweise immer einbezogene Druckgrafik leidet unter der stiefmütterlichen Hängung, die die besten Blätter in dunkle Ecken verbannt. Die Hängekommission hatte keine glückliche Hand. Thematisch wie kompositorisch purzelt alles durcheinander. Einige der besten Werke sind ins Treppenhaus verbannt. Vieles ist nicht genug ausgeleuchtet. Dafür erzielt kraft greller Beleuchtung der »Fischfrau« in Lindenholz von Rainer Strege eine große Wirkung. Diese wird nur von der ganz frei und grandios auf dünnem Gestell balancierenden Bronze der »Undine« von Joachim Dunkel übertroffen.
Wasser - Realismus der Gegenwart. Malerei Grafik Plastik, Künstlersonderbund in Deutschland 1990 e.V., bis 28. August, KPM, Wegelystr. 1, Tiergarten.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.