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Kein Bleiben ohne Perspektive

Viele Flüchtlinge wollen zurück in ihre alte Heimat, obwohl sie in Deutschland Asyl bekommen würden

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 4 Min.
Flüchtlinge nehmen oft unglaubliche Gefahren auf sich, um nach Deutschland zu kommen. Erfahrungen eines Thüringer Hilfsprojekts zeigen aber: Nicht wenige wollen wieder zurück. Warum?

Bis vor etwa zwei, drei Monaten war es so, wie man es wohl erwartet: Die Mehrzahl der Menschen, die zu Sabine-Maria Kuchta oder Patricia Joukisch gekommen sind, hatten vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Nachricht erhalten, dass ihr Asylantrag abgelehnt worden ist. Es war also klar: Sie würden Deutschland wohl wieder verlassen müssen - und wollten nun von den Frauen wissen, wie sie denn zurückkehren könnten, ohne abgeschoben zu werden. Seit etwa zwei, drei Monaten, sagen die beiden Mitarbeiterinnen der Caritas, ist das nicht mehr so.

Joukisch arbeitet als Beraterin in der einzigen Rückkehrberatungsstelle für Flüchtlinge, die es in Thüringen gibt. Kuchta hat dort bis vor Kurzem als Beraterin gearbeitet. Getragen wird die Stelle vom katholischen Wohlfahrtsverband Caritas, in dessen Räumlichkeiten in Erfurt die Einrichtung auch ihren Sitz hat. Das, was beide aus dem Alltag der Rückkehrberatung erzählen, ist ein Beweis dafür dass es »den Flüchtling« so nicht gibt. Und dass viele Flüchtlinge inzwischen ernüchtert sind.

Etwa fünf Erstberatungen pro Woche, sagen Kuchta und Joukisch, würden aktuell in der Beratungsstelle geführt. Auf die meisten von ihnen folgen weitere Besprechungen. Rechnet man das auf ein Jahr hoch, heißt das, dass etwa 250 bis 300 Flüchtlingen jährlich in der seit 2008 bestehenden Einrichtung geholfen wird. Eine Hilfe, die Thüringens Migrationsminister Dieter Lauinger (Grüne) für so wichtig hält, dass er der Beratungsstelle nicht nur für dieses Jahr etwa 60 000 Euro freistaatliches Fördergeld zugesichert hat, sondern auch sagt, er könne sich »kaum vorstellen, dass es Gründe geben wird, diese Unterstützung nicht auch im nächsten Jahr fortzuführen«. Die Caritas finanziert damit zwei halbe Stellen für die Rückkehrberater und arbeitet damit gleichsam auf eine Art und Weise, die Lauingers politische Überzeugungen stützt - hat Lauinger doch von seinem ersten Ministertag an auf die freiwillige Rückkehr von Flüchtlingen statt auf Abschiebungen gesetzt.

Die freiwillige Ausreise, sagt Lauinger, sei erstens viel humaner »als wenn Sie von Polizei abgeholt und dann unter Zwang in ein Flugzeug gesetzt und in ihrem Heimatland wieder ausgekippt werden«. Zweitens sei die freiwillige Rückkehr billiger als die Abschiebung von Flüchtlingen. Lauinger kann auf Zahlen verweisen, die zeigen, wie viele Flüchtlinge den Freistaat in diesem Jahr bisher unter Zwang verlassen und wie viele freiwillig ausgereist sind. Aus Thüringen abgeschoben wurden nach den Daten des Thüringer Migrationsministeriums 2016 bislang etwas mehr als 300 Menschen. Etwa 1300 Männer, Frauen und Kinder sind im gleichen Zeitraum freiwillig ausgereist. Ob der Freistaat die Transportkapazitäten hätte beschaffen und genug eigene Polizeikräfte mobilisieren können, um auch diese etwa 1300 Menschen unter Zwang außer Landes zu bringen, darf bezweifelt werden. Bundesweit wurden nach Zahlen der Bundespolizei 2016 bislang etwa knapp 14 000 Flüchtlinge aus Deutschland abgeschoben.

Wobei der Zwang zur Ausreise aber eben seit einigen Wochen ohnehin nicht mehr der primäre Grund ist, aus dem die Mehrzahl der Flüchtlinge in die Rückkehrberatung kommt. Inzwischen kämen die meisten, so Joukisch und Kuchta, um über eine Ausreise aus Deutschland zu sprechen, obwohl sie in Deutschland bleiben dürften oder zumindest gute Chancen hätten, in Deutschland bleiben zu dürfen - wenn denn ihre Asylanträge irgendwann einmal bearbeitet sein werden.

Die Gründe dieser Menschen, wieder weg zu wollen aus Deutschland, sagen die beiden Frauen, seien vielfältig - weil die Biografien und -schicksale so unterschiedlich sind: Manche Flüchtlinge wollten zurück, weil sie sich in ihrer Heimat um die Familie kümmern müssten, zum Beispiel, weil ein Familienmitglied getötet wurde und der betroffene Flüchtling nun plötzlich Familienoberhaupt sei. Oder weil Eltern in der Heimat plötzlich erkrankt seien. Andere Flüchtlinge wollten Deutschland wieder verlassen, weil sie sich hierzulande nicht hätten integrieren können - auf dem Arbeitsmarkt oder im Bildungssystem. Kuchta erzählt in diesem Zusammenhang von einer Gruppe Syrer, die wieder nach Damaskus wollten, weil sie dort immerhin die Möglichkeit gesehen hätten, sich an der Universität einzuschreiben, was ihnen in Deutschland nicht gelungen sei. Immer wieder sei deshalb bei vielen Flüchtlingen auch Frust darüber zu erkennen, dass ihr Leben in Deutschland sich nicht so entwickelt hat, wie sie es sich vorgestellt hatten.

Einfach ist es nach den Erfahrungen der beiden Frauen trotzdem nicht immer, Flüchtlingen die Ausreise aus Deutschland zu ermöglichen. Zwar gebe es Bund-Länder-Programme, aus denen Ausreisewilligen Reisekostenzuschüsse oder kleine Zuschüsse für ihren Neustart in der alten Heimat gezahlt werden könnten. Doch bisweilen scheitere die Rückkehr der Menschen daran, dass es in Flugzeugen keinen ausreichenden Platz gebe. Oder dass die von deutschen Behörden eingezogenen Pässe der Flüchtlinge nicht wieder auffindbar seien. Ohne Pass aber keine Ausreise.

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