Thailands Junta sorgt vor
Referendum über eine neue Verfassung am Sonntag / Die Macht des Militärs bleibt gesichert
Die Bürger Thailands, das sich in Anlehnung an die Bedeutung des Wortes Thai gern als »Land der Freien« tituliert, werden am Sonntag an die Wahlurnen gerufen. Sie sollen über die künftige Verfassung des Landes abstimmen. Ein begrüßenswerter Akt demokratisch-freiheitlicher Entwicklung, könnte man meinen.
Doch die Begleitumstände geben eher Anlass zur Sorge. Vor zwei Jahren putschte das thailändische Militär unter General Prayut Chan-o-cha eine gewählte Regierung aus dem Amt, bevor die bereits angesetzten Neuwahlen stattfinden konnten. Vorwand für den Putsch war eine Überwindung der tiefen Spaltung der thailändischen Gesellschaft. Diese zeigte sich in zum Teil gewaltsamen Auseinandersetzungen verschiedener politischer Gruppierungen. Ihnen sollte ein Ende gesetzt werden.
Viel stärker aber war die Befürchtung der Militärs und anderer Kräfte, dass wie schon 2001, 2006 und 2011 die populistischen Parteien aus dem Umfeld von Ex-Premier Thaksin Shinawatra siegreich aus Wahlen hervorgehen könnten. Also trat das Militär an die Macht mit dem Ziel, die Thais zu einen - von oben und mit Macht.
Nach außen versucht die Junta, den Eindruck zu erwecken, sie bemühe sich um die Rückkehr zu einer gewählten zivilen Regierung. Doch selbst für die Zeit nach ihrem Abgang will die Militärregierung vorsorgen. Der Entwurf der neuen Verfassung, zusammengebastelt von 21 von der Junta handverlesenen Komiteemitgliedern, enthält eine Klausel, die einen neuerlichen Sieg der Populisten von vorherein wertlos machen soll. Für fünf Jahre nach der ersten Wahl ernennt der »Nationale Rat zur Erhaltung des Friedens«, das politische Instrument der Militärs, 244 der 250 Senatsmitglieder. Die verbleibenden sechs kommen per Funktion in das Gremium: Es sind die Oberkommandierenden der Teilstreitkräfte, der Polizei sowie der Ständige Sekretär des Verteidigungsministeriums. Selbst wenn die 500 Sitze der unteren Kammer des Parlaments komplett an eine Partei gingen, Gesetze und Reformen sind vom Senat abzusegnen.
Einer Schafherde gleich sollen die Thais am Sonntag dieser Verfassung ihre Zustimmung geben. Schon seit Monaten preisen die vom Militär kontrollierten Medien des Landes das Paragrafenwerk. Jegliche »Beeinflussung« des Plebiszits wurde per Sondergesetz unter Strafe gestellt.
Eine »Ja«-Kampagne erübrigt sich. Jeder weiß, dass die Militärregierung hinter dem Entwurf steht und ihn durchdrücken will. Dazu braucht es nicht noch die gewöhnlich auf allen TV-Kanälen zeitgleich ausgestrahlten, die eigene Politik preisenden Monologe des starken Mannes Prayut Chan-o-cha. Sollte es keine Mehrheit geben, ließ Premier Prayut schon vorsorglich wissen, müssten die Pläne für eine Rückkehr zu einer zivilen Regierung überdacht werden.
Wer allerdings zu einem »Nein« aufruft, wird mit einer Strafe von bis zu zehn Jahren Haft bedroht. Immer wieder wurden Aktivisten in Polizeigewahrsam genommen. Selbst achtjährige Schülerinnen wurden verhört und erkennungsdienstlich behandelt, weil sie ein Wählerverzeichnis abgerissen hatten, dessen rosa Papier ihnen zu sehr gefallen hatte. Wie tief die Angst sitzt, offenbarte das Aufsehen, das eine Werbekampagne für Kaffee erregte: dessen Name »Ga-No« hätte nicht nur als Abkürzung für »Americano«, sondern auch als »stimmt Nein« gedeutet werden können.
Immerhin haben sich die Führer der seit dem Putsch weitgehend inaktiven rivalisierenden politischen Parteien in der vorsichtigen Bewertung des Verfassungsentwurfs einig gezeigt. Dieses Grundgesetz sei undemokratisch und rückschrittlich. Am Abstimmungswochenende herrscht im ganzen Land Alkoholverbot. So kann hinterher wenigstens niemand sagen, er habe sein Kreuz im Rausch gesetzt.
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