Der Islamische Staat spricht auch Spanisch

Madrid befürchtet, ebenfalls im Fadenkreuz terroristischer Attacken zu stehen

  • Heinz Krieger, Valencia
  • Lesedauer: 3 Min.
Die IS-Drohungen kamen bisher außer auf Arabisch meist in englischer Sprache. Jetzt wurden nach Erkenntnissen der Geheimdienste Spanischübersetzer angeheuert. Für Spanien ein Warnsignal.

Das Stellenangebot im Internet ließ aufhorchen. »Geliebte Brüder und Schwestern«, stand da zu lesen. »Wir brauchen Brüder und Schwestern, die Spanisch oder Portugiesisch sprechen, um uns bei unserem Vorhaben zu helfen, so Allah will. Wenn du eine dieser Sprachen sprichst und dich unserem Team von Übersetzern anschließen willst, dann klick bitte hier.« Der Text war auf Arabisch und erschien im Juni als »bot« in sozialen Netzwerken, vor allem Twitter. Bots sind sich ständig wiederholende automatische Programme.

Nicht nur eventuelle Brüder und Schwestern mit dem Glauben an Allah klickten, sondern auch die spanischen Geheimdienste. Die waren ohnehin alarmiert, denn im Mai hatte sich der Islamische Staat (IS) erstmals direkt an Spanien gewandt. Darin wurden die Spanier bedroht, die in muslimischen Ländern leben.

Ebenfalls im Mai entdeckten die Spezialisten, dass der IS im Internet zwei neue Informationskanäle aufgemacht hatte: einen auf Spanisch, einen weiteren auf Portugiesisch. In Spanien benutzen die Sicherheitsleute bevorzugt das Akronym »Daesh« statt IS, was aber die gleiche Bedeutung hat wie die englische Abkürzung IS für Islamic State.

Schon früher waren gelegentlich einige Texte oder Botschaften von Daesh mit spanischen Untertiteln oder - meist sehr schlechten - spanischen Übersetzungen versehen worden. Wie Geheimdienstexperten aber jetzt gegenüber der Zeitung »El Mundo« einräumten, deutet inzwischen alles darauf hin, dass die »Stellenanzeige« Erfolg hatte. Wortwahl und Satzbau stammen eindeutig von einer Person, deren Muttersprache Spanisch ist.

Begonnen hat die spanische Propaganda der Terroristen mit einem Pamphlet, das von einem »Sohn von Al Andalus« unterzeichnet und auf Spanisch, Arabisch, Englisch und Französisch verbreitet wurde. Darin wurde aufgefordert, die in spanischen Gefängnissen einsitzenden Dschihadisten zu befreien. Al Andalus bezeichnet im Sprachgebrauch der Dschihadisten die gesamte Iberische Halbinsel. Al Andalus gehörte im Mittelalter zum arabischen Kalifat. In der »Reconquista« wurde Spanien von den christlichen Heeren zurückerobert. Sie endete mit dem Sieg in Granada am 2. Januar 1492.

Inzwischen werden praktisch alle »Kommuniqués« des IS oder von Daesh auch auf Spanisch versandt. Auch die Bekennerschreiben und Videos zum Attentat von Nizza mit 84 Toten am 14. Juli wurden zunächst auf Arabisch, wenige Tage später auch auf Spanisch verbreitet.

Das Innenministerium in Madrid hält die Warnstufe in Spanien auf vier - von fünf möglichen. Und das seit mehr als einem Jahr. Polizei und Geheimdienst arbeiten eng zusammen in der Comisaría General de Seguridad Ciudadana, dem Generalkommissariat für den Schutz der Bevölkerung. Denn man sieht auch Spanien als Ziel der Dschihadisten an. In diesem Kommissariat arbeiten zahlreiche Spezialisten, die das Arabische perfekt beherrschen. 2015 saßen rund 180 Radikalislamisten in spanischen Gefängnissen ein. Seit Jahresbeginn sind weitere 83 festgenommen worden.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.