Weltklasse bei Überwachung
Deutschland ist viertgrößter Entwickler von Spitzeltechnik
Nach einer Untersuchung der Menschenrechtsorganisation »Privacy International« ist Deutschland der weltweit viertgrößte Produzent von Überwachungstechnik. 42 hiesige Unternehmen würden demnach Programme zur Bespitzelung entwickeln und auch ins Ausland exportieren. Nur die USA (122), Großbritannien (104) und Frankreich (45) verfügen über eine größere Überwachungsindustrie.
»Privacy International« hatte eine umfangreiche Datenbank zur Recherche veröffentlicht. Die Informationen des »Surveillance Industry Index« stammen von Journalisten, Aktivisten, Forschern sowie aus öffentlichen Berichten. Die Organisation erklärte aber, dass sie nur von England, Finnland und der Schweiz verlässliche Daten erhalten habe. Nur wenige Informationen hätte sie auf Anfrage bekommen. Es ist davon auszugehen, dass zahlreiche Unternehmen weiterhin im Verborgenen arbeiten.
Die Datensammlung umfasst insgesamt 1359 Dokumente, die über 526 Unternehmen aufklären. Mehr als 600 Exporte wurden einzeln registriert. Man kann in der Liste detailliert über die Art der Überwachungsprodukte, Exportländer, Unternehmen, Herkunft der Dokumente oder den Firmensitz recherchieren. 87 Prozent der Unternehmen haben demnach in Staaten der OECD ihren Hauptsitz und 75 Prozent in NATO-Staaten. Die überwiegende Mehrheit liegt auf der Nordhalbkugel.
In Deutschland sammeln sich vor allem in München Überwachungsunternehmen, laut der Datenbank momentan fünf an der Zahl. Die Zielgebiete der deutschen Exporte umfassen verschiedene Länder, darunter auch krisengebeutelte Staaten, denen teilweise Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Exportiert wurde unter anderem nach Ägypten, Bahrain, Iran, Jemen, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Syrien und in die Türkei.
Unter den Firmen gibt es bekannte wie Rheinmetall und Siemens, aber auch unbekanntere wie FinFisher oder Trovicor, die international jedoch ebenso gefragt sind. Programme des zur »Gamma Group« gehörenden FinFisher sollen laut Medienberichten bereits gegen Aktivisten in Äthiopien und Bahrain eingesetzt worden sein. Die Produkte der aufgelisteten Unternehmen werden für die ganze Palette der Überwachung eingesetzt: Für Video- und Audio-Inhalte, Telefongespräche, Online-Daten, biometrische Daten und auch zur Bestimmung von Aufenthaltsorten.
»Privacy International« veröffentlichte zu der Datenbank auch einen Bericht, der die politischen Hintergründe der Branche analysiert. Analog zur Rüstungsindustrie wird eine politische Regulierung der Produktion und Ausfuhr der Technologie gefordert. Die Gefahr ist groß, dass die Programme in den eingesetzten Ländern auch zur Verfolgung von Oppositionellen eingesetzt werden. Überwachungsunternehmen stehen meist wie Rüstungsfirmen nicht im Rampenlicht. Aufgrund ihrer geheimen Firmenpolitik war es bisher schwierig, an Informationen über sie zu gelangen.
»Die Rolle der Überwachungsindustrie zu verstehen, ist von entscheidender Bedeutung zur Förderung von Rechenschaftspflichten sowie zur Entwicklung umfassender Schutzmaßnahmen und wirksamer Politik«, erklärte Edin Omanovic, der Forschungsbeauftragte von »Privacy International«.
M.C. McGrath von der an der Veröffentlichung beteiligten Organisation »Transparency Toolkit« fügte hinzu: »Alle, die über Überwachung besorgt sind, können hoffentlich besser auf die Probleme reagieren, die Überwachungstechnologien verursachen.«
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