Diktatur in Japan?
Freitags Wochentipp: »Inside mit Stefan Gödde« auf ProSieben
Kein ARD-Brennpunkt! Eine Woche lang ohne terroristischen, putschistischen, sezessionistischen oder sonstwie sinnlosen Anlass, das Programm zu ändern - das gab›s zuletzt Ende Mai. Ist also alles wieder gut? Nix ist gut! Nicht mal jetzt, da der Sport dem Weltgeschehen gern wie früher 17 Tage Auszeit gönnen würde. Doch statt Entspannung herrscht Verkrampfung. Und diese beginnt gar nicht bei Terror-Gefahr, Zika-Viren, Doping-Sumpf, Standort-Chaos oder IOC-Korruption, sondern mit der olympischen Sprachpolizei, die streng über alles wacht, was aus dem Milliardenprodukt keinen Profit schlägt. Von daher die Bitte: Vermeidet bei jeder Art medialer Äußerung unbedingt die Begriffe »Olympia«, »Spiele«, »Rio«, »2016«, »Gold«, »Silber« und »Bronze«. Darauf reklamiert das IOC nämlich ein Exklusivrecht, um gemäß der eigenen Logik ihre Sportler (und Sponsoren) vor Kommerzialisierung zu schützen.
Ach ja - »Sommer«, »Leistung«, »Sieg« sind ebenfalls verboten, wenn man zum Beispiel jene Jugend der Welt materiell unterstützen möchte, denen die - ups! - Spiele in - uups! - Rio - uups! - 2016 eigentlich gewidmet sind. Man wünscht sich angesichts dieses Vermarktungsirrsinns, dem ohnehin nur noch Tyranneien den Teppich ausrollen, eine Revolte wie die von 1976. Damals unterspülte eine Subkultur namens Punk erst die britische, dann die US-amerikanische, schließlich die globale Kultur jener Zeit, was der subkulturfreudige Kulturkanal Arte am kommenden Samstag mit einem Themenabend würdigt.
Eher massenkulturfreudig ist hingegen bekanntermaßen ProSieben, dessen subkulturelle Ambitionen in der Unterwäsche ihrer Stars und Sternchen enden. Umso ehrenvoller erscheint es da, wenn der Plastikkanal seine »Wissensoffensive« jetzt durch »Inside mit Stefan Gödde« fortsetzt. Für Unkundige: Stefan Gödde ist ein extrem artiger Schwiegermüttertraum. An seinem Schwiegermüttertraumlächeln prallt bereits unter der Testosterondusche von »Galileo« jeder Informationsgehalt ab wie Verbrecherfäuste an »Cobra 11«. Wenn sein Reportage-Dreiteiler ab dem heutigen Montag Länder erklärt, von denen laut Sender-PR »durch Propaganda nur ein sehr starres Bild verbreitet ist«, wundern wir uns also nur kurz darüber, welcher Tyrann im dritten Teil, in dem es um Japan geht, denn bloß dort die Macht ergriffen hat, und bleiben bei den ersten zwei Folgen zumindest skeptisch, ob ausgerechnet ProSieben dazu taugt, Licht ins Dunkel von Russland und China zu bringen.
Dort nämlich will Gödde ins Innere einer entstehenden und einer bestehenden Diktatur blicken. Ah ja. Auch wenn er seinen Job siebenmal besser macht als Senderkollege Thilo Mischke in »Uncovered« unter Gangstern, dürfte das Niveau kein Siebtel dessen betragen, was ARD und ZDF mit der ganzen Kraft ihrer Politikredaktionen aus dem Ärmel schütteln. Aber seien wir nicht unfair: ProSieben versucht wenigstens mal, Fernsehen ohne Sportfelgen oder Grillkohle zu machen. Und die Stirn runzelt Reporter Gödde auf feindlichem Terrain schon mal sehr fachmännisch.
ProSieben, 8. August, 22.10 Uhr
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