Schmeckt wie Arsch und Friedrich

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Mensch hat sich seit der Steinzeit nicht wesentlich weiterentwickelt. Das gilt vor allem für den Berliner. Kaum sind die Temperaturen einigermaßen im erträglichen Plusbereich, wird angegrillt; im Falle meiner Hausgemeinschaft bedeutet dies, dass die Grillsaison von März bis Oktober geht. Das hat den angenehmen Nebeneffekt, dass die kälteempfindlichen Weicheier unter den Nachbarn im Kiez dem Ereignis lange fernbleiben. Wird es aber Sommer und es stellen sich nach und nach im Hof andere Einwohner des Karrees ein, muss man aufpassen, was man bei Tisch so erzählt. Politik im Allgemeinen ist kein Problem, Diskussionen über die richtige Ernährung sollten jedoch mit Bedacht geführt werden.

Ich bin ja noch in einer Zeit groß geworden, in der Ernährungsfragen bei Grilltisch vornehmlich von Frauen geführt wurden. Die Frage etwa, ob man zum Steak eine auf Mayonnaisebasis angerichtete Grillsoße nimmt oder Senf, wurde mit Verweis darauf, man müsse auf »seine schlanke Linie« achten, so beantwortet, dass man demonstrativ einen Klecks Senf auf den Teller tropfen ließ, aber heimlich doch an der leckeren Grillsoße naschte (»Ist ja mit Ei und das ist gesund«). In den frühen 2000er-Jahren kamen die fitnessbewahnten Menschen beiderlei Geschlechts dazu, die mit der Bemerkung »Ich bereite mich auf den nächsten Marathon vor, brauche also vor allem Kohlenhydrate« aufs Steak verzichteten und sich dafür Unmengen von Nudelsalat reinschaufelten (gerne auch mit der Soße auf Ei-Basis).

Heutzutage wird nicht mehr alles gegessen, was auf den Tisch kommt. Es wimmelt von Intoleranzen: Die einen sind laktoseintolerant, andere glutenintolerant, wiederum andere essen nichts, was Spuren von Tier enthält. Es wird deshalb bei uns viel Gemüse gegrillt. Allerdings ist der vom Haus ernannte »Grillmeister« selbst ein Fleischliebhaber, weshalb das Gemüse entweder verkohlt auf den Tisch kommt oder wie Arsch und Friedrich schmeckt. Aber, so tolerant sind wir mittlerweile, wir wollen, dass auch Veganer sich nicht ausgeschlossen fühlen, weshalb die Soßen, die zum Grillgut gereicht werden, nicht nur laktose- und glutenfrei sind, sondern garantiert tierfrei sind (jedenfalls wird das vom »Grillmeister« hoch und heilig versichert). Die Grillabende in unserem Hof sind in der ganzen Gegend beliebt, eben weil hier niemand mit seiner intoleranten Ernährungsweise ausgeschlossen wird.

Kürzlich waren wir bei Freunden eingeladen und hatten eine selbstgemachte Grillguttunke mitgebracht. Eine ältere Dame wollte wissen, ob diese Soße auch kein Gluten enthalte. »Selbstverständlich nicht«, sagte ich, »bei uns kommt sowas nicht auf den Tisch.« Worauf die Freundin, die zum Grillfest eingeladen hatte, meinte: »Hier wird sowieso gegessen, was auf den Tisch kommt.« Das kam allerdings beim Rest der Tafelrunde nicht gut an und es begann eine längere ernährungsphysiologische Diskussion über die diversen Auswirkungen laktose- und glutenhaltiger Nahrungsmittel auf den Dick- und Dünndarm, nebst einer ausführlichen Schilderung der Konsistenz der unweigerlich hierdurch entstehenden Ausscheidungen.

Ich konnte nicht mitreden, denn mein Magen und meine Därme tolerieren so ziemlich alles, was essbar ist. Um aber künftig nicht als Außenseiter am Katzentisch sitzen zu müssen, habe ich beschlossen, bei der nächsten Grillparty von dieser ganz seltenen Stoffwechselkrankheit zu berichten, an der ich leide. Meine Verdauungsorgane reagieren absolut intolerant auf pflanzliches Eiweiß, werde ich berichten, weshalb ich mich ausschließlich von tierischen Eiweißen ernähren muss. Das Steak - je blutiger, desto besser - ist für mich überlebenswichtig. Ansonsten bekomme ich nicht nur Dünnschiss und Magenkrämpfe, sondern auch unreine Haut, Rheuma, Haarausfall, werde impotent - und vor allem intolerant gegenüber allen, die mein Leiden nicht teilen wollen.

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