Werbung

Erster Anschlag mit Verletzten

Sechs Bewohner der Flüchtlingsunterkunft in Buch erlitten Rauchvergiftungen

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Brand in einem Flüchtlingsheim in Pankow wurde am frühen Montagmorgen entdeckt. Die Polizei geht von Brandstiftung aus.

In einer Flüchtlingsunterkunft im Pankower Stadtviertel Buch hat es am frühen Montagmorgen gebrannt. Rund 180 Menschen wurden evakuiert, sechs Bewohner erlitten leichte Rauchvergiftungen und wurden vor Ort behandelt. Die Polizei geht von einer Brandstiftung aus. Da der Staatsschutz die Ermittlungen übernommen hat, wird ein politisch motivierter Anschlag zumindest nicht ausgeschlossen. Sollte sich der Verdacht bewahrheiten, dann wäre es zwar nicht der erste rechte Anschlag auf ein bewohntes Flüchtlingsheim in der jüngeren Zeit, aber der erste, bei dem Menschen zu Schaden kamen.

Zunächst sollen Einrichtungsgegenstände im Erdgeschoss des Containerbaus in der Groscurthstraße gebrannt haben. Die Flammen griffen auf Wohnungen im ersten und zweiten Obergeschoss über. Die Bewohner wurden rechtzeitig evakuiert, bevor Schlimmeres passieren konnte. Den Rest der Nacht mussten sie im Freien verbringen. »Wir versuchen nun, Unterkünfte im Bezirk für sie zu finden«, sagte Manfred Nowak, Sprecher des Betreibers der Unterkunft, AWO-Mitte, dem »nd«, der sich am Montagmittag vor Ort selbst ein Bild der Lage machte.

Die Straßen rund um die Gemeinschaftsunterkunft in der Groscurth- straße sind mit NPD-Plakaten gesäumt. Seit ihrer Eröffnung 2014 war die Unterkunft immer wieder Ziel von rassistischer Hetze. Gegen die Eröffnung demonstrierten mehrfach die NPD und die Bürgerinitiative »Pankow Lebenswert«. In der Facebook-Gruppe »Kein Asylanten-Container-Dorf in Buch« wird seitdem regelmäßig gegen den Bau von Flüchtlingsunterkünften, gegen Geflüchtete selbst und die Politik der Bundesregierung gehetzt. In Kommentaren unter verlinkten Artikeln zum Brand in Buch spekulieren die einen, die Bewohner hätten das Feuer selbst gelegt, um in bessere Unterkünfte verlegt zu werden. Andere wiederum hätten sich gewünscht, das Heim wäre komplett abgebrannt, damit die Menschen ein neues Zuhause bekommen hätten. »Und hoffentlich nicht wieder in Buch!« Zur Meldung des »Berliner Kuriers«, ein Wachmann habe einen Menschen einen Molotowcocktail durch ein Fenster werfen gesehen, heißt es auf Facebook, der Wachmann behaupte das nur, um davon abzulenken, dass er seinen Job nicht gemacht habe.

Die Polizei ermittelt in alle Richtungen, wie Sprecher Thomas Neuendorf dem »nd« sagt. »Wir können nicht genau sagen, was die Motivation für die vorsätzlich gelegte Brandstiftung war.«

Ausgehend von einem rechten Brandanschlag verurteilten die sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Elke Breitenbach, und der integrationspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer-Michael Lehmann, in einer gemeinsamen Erklärung die Tat. »Wir sind erschüttert darüber, dass die Täter es bewusst in Kauf genommen haben, dass Bewohner des AWO-Refugiums verletzt oder getötet werden. Wir sind erleichtert, dass niemand ernsthaft zu Schaden gekommen ist.« Breitenbach und Lehmann forderten, die näheren Umstände schnellstmöglich aufzuklären und die Brandstifter zur Rechenschaft zu ziehen.

Zuletzt war im April 2014 ein rechter Brandanschlag auf eine bewohnte Flüchtlingsunterkunft verübt worden. Zwei Männer hatten in Köpenick eine Tür zu einer Unterkunft angezündet. Der Brand erlosch von selbst, verletzt wurde niemand. Die Männer wurden gefasst.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -