Transgener Versuchsboom

Studie: Steigende Zahl der Tierversuche von Patentverwertung angetrieben

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Analyse des Instituts Testbiotech warnt vor wachsendem wirtschaftlichen Druck bei Tierversuchen. Im Bereich der Gentechnik haben diese zugenommen.

Als Dolly vor 20 Jahren das Licht der Welt erblickte, waren weltweit die Kameras auf das erste Klonschaf gerichtet. Seitdem hat die Zahl der Versuche an gentechnisch veränderten Tieren unter einem wachsenden wirtschaftlichen Druck durch die ebenfalls steigende Patentverwertung massiv zugenommen. Zu diesem Schluss kommt die am Mittwoch veröffentlichte Studie »Gentechnik, Patente und die Tierversuchsindustrie« des Instituts für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie (Testbiotech) im Auftrag der Grünen Bundestagsfraktion.

Neben dem gesellschaftlich umstrittenen reproduktiven Klonen wie etwa Dolly entstanden ist, sind neue Verfahren wie »Gen-Editing« oder »synthetische Gentechnik« hinzugekommen, die laut Studie zu einem Anstieg von Tierversuchen führen. Laut Analyse hat sich die Zahl der Versuche mit gentechnisch veränderten Tieren allein in Deutschland zwischen 2004 und 2013 bereits auf knapp eine Millionen Tiere verdreifacht. Die Zahlen für 2014 liegen noch nicht aufgeschlüsselt vor.

Ein Großteil der Versuche mit gentechnisch veränderten Tieren - meist Mäuse und Ratten - findet in der Grundlagenforschung statt. In Deutschland wurden demnach laut Tierversuchsstatistik rund 516 000 transgene Mäuse für die Grundlagenforschung verwendet, für die Entwicklung von medizinischen Produkten dagegen nur 22 000. Der EU-Tierschutzbericht von 2013 bestätigt diesen Trend. »Nach Angaben der Mitgliedstaaten ist die gestiegene Verwendung von Mäusen für die biologische Grundlagenforschung auf eine Zunahme von Studien zurückzuführen, bei denen transgene Mäuse als spezifische Modelle verwendet werden.«

In diesen Studien geht es laut Autor Christoph Then von Testbiotech »in den meisten Fällen nicht um die Lösung drängender medizinischer Probleme«. Tatsächlich stünden wirtschaftliche Gründe oft im Vordergrund, erklärte Then und sagte bereits 2014 in einem Offenen Brief an den Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) eine weitere Zunahme der Versuche mit transgenen Tieren voraus.

In der jetzt vorgelegten Analyse wird der Patentdruck als »Motor für Tierversuche« ausgemacht. »Patente auf gentechnisch veränderte Tiere sind ein deutliches Zeichen dafür, dass Konzerne und Investoren bereit sind, aus Tierleid auch ein Geschäft zu machen«, heißt es in der Studie. Der wirtschaftliche Anreiz, der von den Patenten ausgehe, »kann zu einem deutlichen Anstieg von Tierversuchen führen«.

Steigende Zahlen bei Tierversuchen mit Nutztieren bestätigen diesen Trend. Genveränderte Rinder sollen mehr Muskelfleisch produzieren, Kühe und Ziegen wahlweise Milch geben mit einem erhöhten Kaseingehalts für mehr Käse oder ohne den Allergieauslöser Beta-Laktoglobulin. Die gesundheitlichen Folgen für die Versuchstiere sind grausam: Schwergeburten durch Missbildungen und häufige Totgeburten erschöpfen die Leihmutter-Tiere. »Die Erfolgsraten sind zudem gering«, so die Studie. Das gelte auch für die neuen, als effizienter geltenden Gentechnikverfahren. Laut Studie müssen durchschnittlich 244 Embryonen in Leihmütter übertragen werden, um ein tragendes Rind zu erhalten. »Gerade wenn sich Versuche als nicht erfolgreich herausgestellt haben, dürfen Tiere nicht weiter gequält werden«, fordert die Sprecherin für Tierschutzpolitik der Grünen im Bundestag, Nicole Maisch, die es zugleich als »unethisch« kritisiert, »Tieren Schmerz und Leid zuzufügen mit dem Ziel, dadurch mehr Muskelmasse oder eine andere Milchzusammensetzung zu erreichen«.

Der Sprecher für Gentechnik der Grünen im Bundestag, Harald Ebner, zeigte sich insbesondere besorgt über die Zunahme der Versuche an gentechnisch veränderten Nutztieren. Zwar sind in Europa anders als in den USA und Kanada noch keine Produkte aus Gentech-Tieren als Lebensmittel zugelassen. Die geplanten Freihandelsabkommen TTIP und CETA jedoch könnten zum »Einfallstor für tierisches Genfood« werden, befürchtet Ebner.

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