Aufklärung gegen wiederkehrende Paranoia

Die Ausstellung «Der Kalte Krieg in Luxemburg» im Nationalmuseum MNHA

  • Anita Wünschmann
  • Lesedauer: 5 Min.

Eine Ausstellung zum Kalten Krieg im Luxemburger Nationalmuseum, ein eleganter minimalistischer Quader in der Altstadt, ist eine echte Überraschung sogar für die Luxemburger selbst. Denn bislang hat sich allein das wenige Gehminuten entfernte Musée d›Histoire de la Ville, das Stadtmuseum, mit zeithistorischen Reflexionen dieser Größenordnung befasst.

Régis Moes, Historiker und Kurator, will einen Konzeptwechsel hin zu mehr zeitgeschichtlichen Auseinandersetzungen im Haus. Dazu kann man gratulieren. Der Anfang ist gemacht. Eine mutige Schau! Ein Vortasten auf ein bislang wenig erschlossenes Gebiet, das im tagesaktuellen Bewusstsein der Luxemburger reduziert wird auf die «Bombenleger», Sabotageakte, deren Hintergründe und Akteure bislang nicht aufgeklärt werden konnten. Der juristische Dauerprozess wird demnächst wieder eröffnet.

«Wir haben das bewusst ausgespart», sagt Régis Moes. Es sei wichtiger, auf die öffentliche Debatte, die seit der Krise in der Ukraine wieder präsent ist, Einfluss zu nehmen und das Wissen über den Kalten Krieg zu erweitern. Dazu gehören die atomare Aufrüstung, die Luxemburger Bunker, die Positionen der KP Luxemburgs (KPL), die Rolle der Luxemburger Armee in der NATO, Friedensbewegung, die diplomatischen Beziehungen zur Sowjetunion - der gesamte politische Kontext.

Die Nachkriegsära zwischen 1947 und 1991 hielt das Großherzogtum in Atem. Das kleine (also flexibel und schnell agierende) Land mit seiner geopolitischen Lage im Herzen Europas war unmittelbar in den internationalen Kontext eingebunden, nicht zuletzt durch seine Industriegeschichte wurde das fest im Westen verankerte Großherzogtum maßgeblich an den internationalen Bündnissen beteiligt und damit involviert in die bedrohlichen Antagonismen zwischen NATO und dem Warschauer Pakt. In Luxemburg spielten die USA und Großbritannien vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges eine besondere Rolle: London bot der großherzoglichen Familie Exil an, und die Alliierten, voran USA-Truppen, befreiten Luxemburg von der faschistischen deutschen Besatzung. Die Ardennenschlacht 1944-1945 hat eine bis heute anhaltende emotionale Präsenz (inklusive etlicher Militärausstellungen und Denkmal-Panzer in der Nordregion des Landes). Die politisch-kulturelle Affinität war also historisch Richtung USA gelenkt, und sie wurde gefestigt durch die Segnungen des Marshallplans und durch bis über die Gegenwart hinausweisende Wirtschaftsbeziehungen, die dem multilingualen Land Jahre beachtlichen Wachstums garantierten. Luxemburg wurde als «Zweigstelle» der US-Industrie« wahrgenommen.

Vielen erschien es als ein völlig natürliches Zeichen der Anerkennung, die US-amerikanische Politik zu unterstützen. Aber auch der Blick nach Osten war, so zeigt es die Exposition, für viele Luxemburger ebenfalls von Bedeutung. Die Befreiung durch die Sowjetarmee gehört gleichfalls, wenn auch marginaler, ins nationale Bewusstsein. »Am Ende des Zweiten Weltkrieges genießt aber auch die UdSSR großes Ansehen. Die auf luxemburgischen Territorium befreiten sowjetischen Kriegsgefangenen ziehen 1944 an der Seite der Amerikaner durch die Straßen Luxemburgs«, heißt es in dem Ausstellungstext. Diese Haltung hatte in den unmittelbaren Nachkriegsjahren für einen Zustrom in die KPL sowie in die Gewerkschaftsbewegung gesorgt und sogar eine kurze (1945-1947) Regierungsbeteiligung der Kommunisten ermöglicht. Die prosowjetische Dynamik nach dem Krieg fand ein schnelles Ende mit der Einflussnahme der USA und der Panik des Großkapitals »vor dem sowjetischen Vorbild«. Dieses Vorbild hatte sich für die Luxemburger jedoch mit der Niederschlagung der Aufstände in Ungarn (1956) und in der CSSR (1968) erledigt.

1948 wurde der Brüsseler Vertrag unterschrieben, ein Jahr vor der NATO-Gründung. Der kommunistische Deputierte Arthur Useldinger sagte 1950 auf Letzeburgisch in der Abgeordnetenkammer: »Dir macht eng Krichspolitik mat ge‹nt de›Länner, wo‹ d› Arbechterklass rege‹rt, aus Hass ge›nt de Fortschrett.« Fäuste, Pfeile und Ausrufezeichen, mit Vorliebe knallrot, dienen in der Ausstellung der visuellen Polarisierung dieses Konflikts. Der Protest war traditionell bei den Linken sehr groß, aber erstaunlicherweise auch bei den Katholiken. Aufrufe gegen den »obligatorischen Wehrdienst und die Kriegsvorbereitungen« wurden ausgerechnet von ihnen vehement bekämpft. Erst in den Sechzigern ist ein Umschwung zu verzeichnen. 1966 stellt das Luxemburger Parlament einen Regierungsantrag mit dem Ziel, die Revision der militärischen Verpflichtungen gegenüber der NATO zu erwirken.

Das Großherzogtum hat die Wellenbewegungen der politischen Großwetterlagen mit durchlebt: Wirtschaftsinvestition und Aufrüstung. Bunkerbau. Radio Luxemburg. Waffendepots für die NATO. Das sind die Meilensteine eines imaginären Festungsbaus, dessen Einwohner von der Gewissheit beherrscht waren: »Wir waren die Guten.«

Zum Selbst- und Sicherheitsverständnis des Landes gehörte auch das Konzept vielfältiger diplomatischer Beziehungen und die Idee des politischen Brückenbaus, gebunden an Aktivitäten einzelner Persönlichkeiten, wie des sozialistischen Botschafters René Blum, der von 1944 bis 1955 in Moskau tätig war, oder an die des liberalen Politikers Gaston Thorn, der von 1969 bis 1981 Außenminister war.

Der spannendste Teil der detailreichen Ausstellung, die auch unterhaltsame Artefakte aus Alltag und Geheimdienst bereitstellt, sind Zeitzeugeninterviews, die zum Teil konträre Positionen und Erfahrungen zeigen: Zitiert wird u. a. der ehemalige Kabinettchef Gaston Thorns, Paul Helminger: »Wir sind nicht nach Budapest und Prag gefahren, um das Regime zu stürzen.« Charles Hoffmann, der ehemalige Chef des luxemburgischen 12-Personen-Geheimdienstes SREL, berichtet über Agentennetzwerk und Aufgaben im Ernstfall. Paul Helminger, lange Zeit liberaler Bürgermeister der Stadt Luxemburg, erinnert einen Staatsbesuch des Großherzogs Jean in Moskau: »Die Sowjets machten mit einem Galadinner im Kreml deutlich, dass die Luxemburger willkommen waren.« André Hoffmann, einstiges KP-Mitglied: »Über den Realsozialismus konnte man nicht diskutieren.«

Die zeithistorische Ausstellung ist um Objektivität bemüht und dennoch lässt sich eine Intention erkennen: Hier wird in der jüngeren Geschichte nach einer konstruktiven Haltung für heute in der Ära der NATO-Osterweiterung und einer angefeuerten Konfliktlage geforscht. Man kann das Engagement des Museums als ein Vermittlungsangebot lesen, als ein Werben für differenzierte Sichtweisen.

»Der Kalte Krieg in Luxemburg.« Musée National d‹Histoire et d›Art (MNHA), Luxemburg, bis 27.11.2016

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