Torgau - die Schaltzentrale der Reformation
Im Schloss Hartenfels entstand einst der erste evangelische Kirchenbau, 2017 kommt ihm eine besondere Rolle zu
An Schloss Hartenfels kommt im nordsächsischen Torgau niemand vorbei. Stolz thront der Prachtbau aus der Frührenaissance über der Elbe - weithin sichtbar, nicht nur für die Fahrradfahrer auf dem beliebten Elberadweg. Einige Millionen Euro sind in den vergangenen Jahren in die Instandsetzung des Ensembles geflossen. Frisch saniert präsentiert sich auch die Schlosskapelle, die 1544 von Martin Luther (1483-1546) persönlich eingeweiht wurde und als erster evangelischer Kirchenneubau gilt.
Denn auch Luther kam an Schloss Hartenfels nicht vorbei. Nach der Teilung der Wettiner Lande wurde das Schloss ab 1485 zum Hauptsitz der ernestinischen Kurfürsten in Sachsen ausgebaut. Während Wittenberg mit seiner 1502 gegründeten Universität intellektuelles Zentrum des Herrschaftsbereiches von Friedrich dem Weisen (1463-1525) wurde, war Torgau unbestritten die politische Schaltzentrale.
»Torgau war die Koordinierungsstelle der evangelischen Politik«, sagt der Leipziger Kirchenhistoriker Armin Kohnle. Eine ganze Reihe historisch wichtiger Entscheidungen seien auf Schloss Hartenfels gefallen. Dort wurde etwa 1526 die Urkunde für den Torgauer Bund ausgefertigt, der als erster Versuch eines evangelischen Militärbündnisses gilt. Und 1530 fanden in Torgau wichtige Beratungen zur Gründung des Schmalkaldischen Bundes zur Verteidigung des Protestantismus statt.
Mehr als 40 Besuche Luthers in der Stadt sind nachgewiesen. Besonders zu Friedrichs Nachfolger, Johann der Beständige (1468-1532), pflegte der Reformator ein fast freundschaftliches Verhältnis. So reiste er zum Beispiel auch zur Hochzeit von Johanns Tochter 1536 nach Torgau.
Das Schloss wurde in dieser Zeit zum repräsentativen Herrschaftssitz umgerüstet. Als architektonische Meisterleistung gilt der Treppenturm des »Wendelsteins« von Baumeister Conrad Krebs, der ohne tragende Mittelsäule auskommt. Zu Hartenfels gehört auch die fast 600 Jahre alte Tradition der Bärenhaltung. Drei Tiere leben derzeit im Schlossgraben.
Auf Schloss Hartenfels soll ab dem Frühjahr 2017 eine Dauerausstellung über Torgau und die Reformation zu sehen sein. Konzipiert wird sie gemeinsam mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD), die auch die erste Nationale Sonderausstellung zum Reformationsjubiläum - die Schau »Luther und die Fürsten« - realisiert hatten.
Abseits von Schloss Hartenfels gibt es noch mehr zu entdecken: In unmittelbarer Nähe ließ Johanns Sohn und Nachfolger Johann Friedrich I. (1503-1554) die Kurfürstliche Kanzlei errichten, die zum administrativen Zentrum wurde. Seit 2003 beherbergt der einstige Verwaltungssitz das Stadt- und Kulturgeschichtliche Museum Torgau. Doch nicht nur die große Politik, auch die Kultur der Reformation ist in Torgau beheimatet. In der Stadtkirche St. Marien, nur wenige Schritte vom Schloss entfernt, wirkte der »Urkantor« der evangelischen Kirche, Johann Walter (1496-1570). Er entwickelte mit Luther eine neue Ordnung des Gottesdienstes und schrieb zahlreiche Kirchenlieder. Um 1526 gründete Walter eine Stadtkantorei - die erste überhaupt.
Auch für ihn ist eine Schau geplant. Untergebracht wird sie in einem ehemaligen Wohnhaus des Theologen und Sekretärs Georg Spalatin (1484-1546), der wegen seiner guten Verbindung zwischen Luther und den Kurfürsten auch als »Steuermann der Reformation« bezeichnet wird.
In St. Marien erinnert ein Epitaph an Luthers Ehefrau Katharina von Bora (1499-1552). Für sie bedeutete Torgau Anfang und Ende: Als die junge Nonne Katharina 1523 aus dem Kloster Nimbschen floh, war Torgau die erste Station auf ihrem Weg in ein bürgerliches Leben. Und fast 30 Jahre später sollte sie in der Stadt ihre letzte Ruhe finden.
Katharina war im September 1552 vor der Pest aus Wittenberg geflohen, dabei kam es zu einem Unfall vor den Toren Torgaus. Beim Sturz verletzte sich die Witwe Luthers so sehr, dass sie sich davon nicht mehr erholte. Am 20. Dezember starb sie in der heute zu besichtigenden Katharina-Luther-Stube und wurde in St. Marien begraben. Die Erinnerung an Katharina wird in Torgau sorgsam gepflegt, so findet jedes Jahr im Sommer ein großes Fest zu ihren Ehren statt, außerdem gibt es »Katharina-Stadtführungen« im historischen Kostüm. epd/nd
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