De Maiziere: Das Mögliche für Sicherheit tun

Bundesinnenminister stellte verschärftes Anti-Terror-Programm vor – für SPD »politisch zumutbar« / LINKE: Innenminister setzt auf Überwachungsstaat statt auf zivile Sicherheit

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Besonnen und entschlossen müsse man auf die Terrorgefahren reagieren, nicht mit Hass und Spaltung. Bundesinnenminister Thomas de Maiziere betonte am Donnerstag in Berlin: »Niemand kann die absolute Sicherheit garantieren. Aber das uns Mögliche müssen wir tun.«

Lesen Sie das Papier »Schnell und absehbar« auf der Homepage des Bundesinnenministeriums.

Geplante Gesetzesverschärfungen

Schnellere Abschiebungen:

Ausländische “Gefährder” und straffällige, ausreisepflichtige Ausländer sollen schneller abgeschoben werden können. Dazu will de Maizière die »Gefährdung der öffentlichen Sicherheit« als neuen Haftgrund einführen. Bei Asylantrag und Abschiebung soll in solchen Fällen ein Schnellverfahren greifen.

»Duldung light«:

Bei der Duldung von Flüchtlingen will de Maizière künftig deutliche Unterschiede machen. Und zwar zwischen jenen Fällen, wo etwa gesundheitliche Gründe gegen eine Abschiebung vorliegen und solchen, bei denen der Betroffene selbst das Abschiebehindernis zu verantworten hat - etwa weil er seine Identität verschleiert. Sie sollen eine abgeschwächte Form, eine »Duldung light« erhalten. Das gilt auch für Ausländer, die in Deutschland Straftaten begehen oder anderweitig die öffentliche Sicherheit gefährden.

Sympathiewerbung:

Die Sympathiewerbung für terroristische Vereinigungen will de Maizière unter Strafe stellen. Er greift damit eine alte Unionsforderung auf, die die SPD bislang nicht unterstützt.

Entzug des Doppelpasses bei Dschihadisten:

Deutsche, die für eine Dschihadistenmiliz im Ausland kämpfen, sollen ihre deutsche Staatsangehörigkeit abgenommen bekommen. Das geht allerdings nur, wenn sie noch eine andere Staatsbürgerschaft besitzen.

Schweigepflicht:

De Maizière strebt an, dass Ärzte trotz bestehender Schweigepflicht Erkenntnisse über möglicherweise gefährliche Patienten weitergeben. Eine solche Offenbarung ist zum Schutz eines »höherwertigen Rechtsgutes« bereits jetzt möglich. Mit der Bundesärztekammer soll nun erörtert werden, wie den Ärzten dabei geholfen werden kann. Denkbar ist etwa die Einrichtung einer Vertrauensstelle.

Überprüfung von Social-Media-Daten:

Bei Flüchtlingen, die über so genanntes Resettlement oder humanitäre Aufnahme nach Deutschland kommen, sollen probeweise die öffentlich zugänglichen Teile ihrer Social-Media-Daten - etwa bei Facebook - überprüft werden. Die Niederlande, Norwegen und Schweden machen dies bereits.

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge:

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge soll verstärkt Informationen über verdächtige Ausländer an die Sicherheitsbehörden weitergeben. Bereits jetzt gibt es bei der Behörde ein Sicherheitsreferat, das im Bedarfsfall über die Weitergabe entscheidet. Die betreffenden Übermittlungsregelungen sollen überprüft werden.

Soziale Betreuung:

Die soziale Betreuung von Flüchtlingen soll ausgebaut werden, um Tendenzen zur Radikalisierung so früh wie möglich zu erkennen. Die Lehrer in den Integrationskursen sollen im Bereich der sozialpädagogischen Betreuung und Traumatisierung ausgebildet werden.

Waffenrecht:

Die Aufbewahrungsstandards sollen angehoben werden, um den Gebrauch legaler Waffen durch Unbefugte zu verhindern.

Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden:

Bereits jetzt will der Bund in der laufenden Legislaturperiode über 4600 neue Stellen bei seinen Sicherheitsbehörden schaffen, davon alleine 3250 bei der Bundespolizei. De Maizière strebt die weitere Aufstockung des Personalbestandes um eine »mittlere vierstellige Zahl« an. dpa/nd

Er wolle zu Ergebnissen gelangen, die von der Bundesregierung noch in dieser Wahlperiode angegangen und umgesetzt werden können. Die vorgeschlagenen Maßnahmen seien für den Koalitionspartner SPD »politisch zumutbar«.

SPD-Chef Sigmar Gabriel signalisierte seinerseits Gesprächsbereitschaft über die neuen Vorschläge de Maizières. »Die SPD ist bereit, über alles zu reden, was dazu beiträgt, die Sicherheit weiter zu erhöhen«, sagte der Vizekanzler den Zeitungen der Funke Mediengruppe. »Für populistische Schnellschüsse stehen wir aber nicht zur Verfügung.«

Daher sei es wichtig, dass sich der Innenminister klar gegen Aktionismus ausgesprochen habe. »Das war eine Ohrfeige für die Scharfmacher in der CDU/CSU«, sagte Gabriel mit Blick auf Rufe nach Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft und für eine Ausweitung von Bundeswehreinsätzen im Inneren. Er bekräftigte die Forderung der SPD nach 3000 zusätzlichen Stellen bei der Bundespolizei.

Welche im Detail geplant sind, haben de Maizieres Beamte auf 16 Seiten zusammengefasst. Angestrebt wird eine Aufstockung der Sicherheitsbehörden im mittleren vierstelligen Bereich. Mit dem Finanzminister sei man im Gespräch über zusätzliche Mittel. Für die Verfolgung von Kriminellen im sogenannten Darknet will de Maizière verdeckte Ermittler einsetzen. Die Spezialisten sollen dort gezielt etwa illegalen Waffenhandel oder Kommunikation zwischen Terroristen aufklären. Dabei setze er auf die Kooperation mit den Bundesländern. Ausgebaut werden sollen biometrische Erkennungstechnologien, damit sie so sicher sind wie die der Fingerabdrücke.

Der CDU-Politiker kündigte Verschärfungen für straffällig gewordene Ausländer und sogenannte Gefährder an. Die müssten verstärkt in Haft genommen und schneller abgeschoben werden. Dafür will man im Aufenthaltsgesetz den Haftgrund »Gefährdung der öffentlichen Sicherheit« schaffen. Er kündigte Schnellverfahren an und informierte darüber, dass ein Pilotprojekt mit Nordrhein-Westfalen begonnen habe.

Die Schweigepflicht für Ärzte will der Bundesinnenminister nicht infrage stellen, wohl aber im Dialog mit der Ärzteschaft nach Lösungen suchen, wie Gefährdungen verringert werden können. Ausgebaut werden soll die Zusammenarbeit auf EU-Ebene. Dabei müssten technologische Insellösungen aufgegeben und Methoden vereinheitlicht werden.

De Maiziere lobte das gerade verabschiedete Integrationsgesetz, denn »gute Integrationspolitik ist auch eine gute Sicherheitspolitik«. Um der Radikalisierung von Flüchtlingen entgegenzuwirken, hält der Minister eine bessere soziale Betreuung für notwendig. Lehrkräfte müssten besser auf die Betreuung mit traumatisierten Personen vorbereitet werden. Auch so wolle man Tendenzen zur Radikalisierung so früh wie möglich entgegenwirken.

In der kommenden Woche werde er sich mit den Innenministern der unionsregierten Länder treffen. Am Donnerstag wollte er sich nicht zu Papieren in »irgendeiner Fassung einer Arbeitsebene« äußern. Doch die doppelte Staatsbürgerschaft und ein Burkaverbot stünden für ihn nicht zur Debatte.

»Wenn Unionspolitiker ‘Sicherheitspolitik’ betreiben, dann geht es meistens um die Einschränkung von Grundrechten. Daran hält sich auch Innenminister Thomas de Maizière mit seinem neuen Sicherheitspaket«, warnte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke.

Kritik übte sie unter anderen an den Plänen, dass künftige alle Sicherheitsbehörden auf den gesamten Bestand europäischer Polizeidateien zugreifen können. »Wurde der Anspruch, einen ganzen Kontinent so lückenlos nach einzelnen ‘Fremdlingen’ abzusuchen, schon einmal so ausdrücklich formuliert?«, so Jelpke. Problematisch sei zudem, wer künftig als »gefährlicher Ausländer« gelten soll und damit schneller abgeschoben werden kann. »Das sind Menschen, bei denen Polizei oder Geheimdienste die ‘Annahme’ haben, sie könnten dereinst vielleicht mal eine Straftat begehen«, kritisiert Jelpke.

»Flotte Sprüche und eine Verschärfung des Aufenthaltsrechts bringen den Menschen in diesem Land nicht mehr Sicherheit«, erklärte LINKEN-Chef Bernd Riexinger. »Ein Sonderstrafrecht für Ausländer sorgt nicht für mehr Sicherheit, sondern für mehr symbolische Diskriminierung«, sagte auch der Grünen-Migrationsexperte Volker Beck.

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