Hausgemachte Reibereien
Das BAMF und sein Personalrat nähern sich nur langsam an. Die Probleme stammen aus jahrelanger Fehlplanung
Es handelt sich um einen gravierenden Verstoß gegen Mitbestimmungsrechte. Das hat der Personalrat des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nun auch schriftlich. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach war am vorigen Freitag ergangen. Das BAMF hatte hunderte Beschäftigte eingestellt und Schichtarbeit angeordnet, ohne die dafür notwendige Zustimmung des örtlichen Personalrats oder des Gesamtpersonalrats einzuholen. Im Verfahren ging es um 343 Fälle. Als die Flüchtlingszahlen in die Höhe schnellten, sich beim BAMF die unbearbeiteten Asylanträge stapelten und die Beschäftigten mit der Registrierung der Ankommenden nicht mehr hinterherkamen, war schnelles Handeln geboten. Zumindest da sind sich alle in dem seit Monaten dauernden Streit einig.
Während derlei Fälle in privatwirtschaftlichen Unternehmen gemäß Betriebsverfassungsgesetz vorm Arbeitsgericht landen, sind für den öffentlichen Dienst gemäß Bundespersonalvertretungsgesetz die Verwaltungsgerichte zuständig. Beiden gleich ist, dass vor dem Verfahren eine Einigungsstelle gebildet wird, um sich vor einem kostenintensiveren Prozess möglicherweise gütlich zu einigen. Doch dazu kam es nicht. Der örtliche Personalrat und der letztlich zuständige Gesamtpersonalrat lehnten entsprechende Einigungsvorschläge ab. Erstmalig hatten die »Nürnberger Nachrichten« im Februar über den Streit berichtet und sich auf ein Schreiben des Personalrats an die Beschäftigten berufen. Bis Mai waren vier Klagen anhängig.
Hans-Jürgen Weise, Chef des BAMF, war im April in der Öffentlichkeit äußerst selbstbewusst aufgetreten und hatte gesagt, er hoffe, in dem Verfahren über viele Instanzen zu gehen - bis man 2031 beim Bundesverfassungsgericht lande. »Dann fahre ich mit meinem Motorrad vorbei und winke«, zitierte ihn die »Frankfurter Rundschau«. Anfang Juni schloss er eine Niederlage vor Gericht aber nicht mehr aus und räumte ein, die Behördenleitung hätte sich um eine einvernehmliche Lösung früher bemühen müssen. Die Frage, ob das Bundesamt Rechtsmittel gegen den Entscheid vom letzten Freitag einlegen wird, beantwortete eine Sprecherin mit Verweis aufs laufende Verfahren nicht. Der jüngste Gerichtsentscheid werde geprüft. Man sei aber »derzeit um eine Neufassung der Dienstvereinbarung Zeit bemüht«.
»Das Verhältnis von Amtschef Weise und dem Personalrat ist stark beeinträchtigt«, sagt Hartwig Schmitt-Königsberg gegenüber »nd«. Er ist der Vorsitzende des Verbandes der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden (VBOB), einer Mitgliedsgewerkschaft des Deutschen Beamtenbundes (dbb). Eine derartige Umgehung der Mitbestimmung habe es nach seinem Wissen »in diesem Ausmaß« noch nicht gegeben. »Herr Weise meinte, es ist eine Ausnahmesituation, in der er geltendes Recht umschiffen kann, doch das Verwaltungsgericht hat ihm erstinstanzlich deutlich widersprochen.« Der dbb beziehungsweise der VBOB stellt die Mehrheit der Mitglieder des Gesamtpersonalrates.
»Ein so schneller Personalaufbau führt zu Reibereien im Betrieb«, meint Sebastian Hartmann von der SPD. Dazu sei der immense öffentliche Druck auf die Behörde gekommen. Der Bundestagsabgeordnete hat als Mitglied des Innenausschusses und dort zuständig für Integration das BAMF besucht und sich auch ein Bild vom schief hängenden Haussegen gemacht. »Mitbestimmungsrechte gehören eingehalten.« Da gibt es für Hartmann keine Diskussion. Doch er blickt auch schon auf die Zeit nach dem Streit. Um die Folgen des Umbaus der Behörde abzumildern schlägt er ein »professionell begleitetes Verfahren« vor, beispielsweise eine Mediation. »Es war das gute Recht des Personalrates, gerichtlich den Verstoß feststellen zu lassen. Aber nach den Gerichtsprozessen muss es jetzt zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Personalrat und Leitung kommen«, so Hartmann weiter.
»Die Stimmung ist zum Teil sehr gedrückt«, weiß auch Petra Fichtner, zuständige ver.di-Sekretärin in Nürnberg. Es habe bei den Neueingestellten am Anfang »an allem« gemangelt. Einige der neuen KollegInnen hätten keine Computer gehabt. Zudem seien Menschen auf Stellen gesetzt worden, für die sie nicht qualifiziert seien. Für schon lange beim BAMF Arbeitende habe das alles desorganisiert gewirkt. »Es ging um einen schnellen Erfolg, den man in der Öffentlichkeit präsentieren kann«, sagt Fichtner - also möglichst viele Asylanträge in möglichst kurzer Zeit abarbeiten. Darin und in jahrelangem Personalabbau und Budgetkürzungen liegen für die Gewerkschafterin die Gründe dafür, dass der Streit eskaliert ist und letztlich ohne gütliche Einigung vor Gericht landete.
»Der Personalrat hat erreicht, dass er nun an allem beteiligt wird«, sagt Fichtner. Was letztlich mit den 343 Arbeitsverhältnissen wird, ist zumindest juristisch noch unklar. Keine der Streitparteien will, dass die Beschäftigten zu Hause bleiben, sie werden gebraucht. Ver.di setzt sich ein für eine schnelle Entfristung der befristeten Arbeitsverhältnisse und mehr Qualität statt Quantität. Denn bei fehlerhaften Asylentscheidungen könnten lange Gerichtsverfahren ins Haus stehen. »Das hilft weder dem Personal noch den Asylbewerbern und ist gesamtgesellschaftlich ein Fiasko«, sagt Fichtner.
Anders als das Betriebsverfassungsgesetz sieht das Bundespersonalvertretungsgesetz keine Ordnungsgelder oder Haftstrafen bei der Be- oder Verhinderung der Mitbestimmung vor. Es gehe jetzt darum zu prüfen, so Schmitt-Königsberg, ob der Personalrat den Einstellungen nachträglich zustimmen könne. Das ist zwar eine prinzipielle Frage, aber doch nicht viel mehr als eine Formsache.
Denn ein weiteres Problem steckt im geltenden Personalvertretungsgesetz von 1974. Es wurde mehrfach geändert, ist aber »nicht mehr zeitgemäß«, sagt Schmitt-Königsberg. Arbeitsbedingungen in Behörden und Aufgaben der Personalräte haben sich in den letzten Jahrzehnten geändert. Der dbb fordert darum »spätestens mit einer neuen Bundesregierung« eine Gesetzesnovelle. Der DGB-Vorstand gab im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 ein Arbeitspapier heraus, in dem die Novellierung der Personalvertretungsgesetze in Bund und Ländern gefordert wird. Unter anderem geht es darum, das Mitbestimmungsrecht dem von Betriebsräten anzugleichen, also auszuweiten. Der DGB fordert zudem die Möglichkeit, dass eine rechtswidrige Maßnahme zurückgenommen werden muss. Zu konkreten Punkten wollte sich der VBOB-Vorsitzende noch nicht äußern. »Klar ist aber, dass sich DGB und dbb in Grunddingen einig sind.«
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