Totentanz im Kölner Opernhaus
Der Sanierungsfall am Rheinufer wurde zum Millionengrab - nun versucht sich ein neuer Chef
Ein eiserner Vorhang zum Brandschutz trennt den Zuschauersaal der Kölner Oper von der Bühne. Die Sessel sind hochgeklappt und haben keine Bezüge. Eigentlich sollte hier schon seit einem dreiviertel Jahr gespielt werden. Doch die Eröffnung ist auf unbestimmte Zeit verschoben. Die Berliner haben ihren Flughafen, die Hamburger ihre Elbphilharmonie - und die Kölner ihre Oper.
Im Maßstab unterscheiden sich die drei Projekte stark, doch gemeinsam ist ihnen, dass sich der Bau viel länger hinzieht und viel mehr kostet als ursprünglich geplant. Dabei geht es in Köln noch nicht einmal um einen Neubau, sondern um eine Sanierung. Die Oper stammt von 1957, das dazugehörige Schauspielhaus von 1962. Mittlerweile ist der Kölner Öffentlichkeit klar geworden, dass die Wiederherrichtung eines solchen historischen Gebäudeensembles schwieriger und teurer sein kann als ein Neubau. Nur mit großem Aufwand ist es möglich, die Grundsubstanz zu erhalten und das Gebäude gleichzeitig den heutigen Sicherheitsbestimmungen und technischen Erfordernissen anzupassen.
Dennoch ist die Entscheidung, den Komplex von Wilhelm Riphahn (1889-1963) zu erhalten, weitgehend anerkannt. Frühe Schwarz-Weiß-Fotos zeigen einen Neubau, der sich wie die Vision einer besseren Gesellschaft nüchtern, klar und hell aus dem Kölner Trümmerfeld erhebt. Soweit die glorreiche Vergangenheit. 2012 begann die Sanierung der mittlerweile arg heruntergekommenen Bauten, für November 2015 war die Wiedereröffnung geplant. Weniger als vier Monate vorher wurde sie abgesagt. »Ich befinde mich in so 'ner Art Albtraum«, seufzte damals Schauspielintendant Stefan Bachmann.
Heute kann niemand sagen, wann die Häuser wieder öffnen werden - es wird auf jeden Fall noch Jahre dauern. Die Gesamtkosten werden derzeit auf 400 bis 460 Millionen Euro veranschlagt - 250 Millionen waren anfangs mal vorgesehen. Der Opern- und Schauspielbetrieb geht derweil in Ausweichquartieren weiter.
Bernd Streitberger als neu ernannter technischer Betriebsleiter soll es nun richten. Der Kölner Stadtrat hat den früheren Baudezernenten mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet. »Es hat hier eklatante Fehlleistungen gegeben, sowohl bei der Planung wie bei der Bauleitung der Gewerke der technischen Ausrüstung«, resümiert der Westfale in seinem Büro auf der Baustelle. »Wir haben 700 Punkte, an denen zum Beispiel die Durchführung von Kabeln durch die Wand von den Brandschutzabständen her nicht so erfolgt ist wie vorgeschrieben«, sagt er. »Das bedeutet, dass wir große Teile der technischen Ausrüstung des Gebäudes noch einmal zurückbauen und neu machen müssen. Das ist also nicht einfach nur eine Verzögerung - es ist ein komplettes Neuaufstellen des Projektes.«
Streitberger glaubt, dass Großprojekte heute mit speziellen Problemen behaftet sind, vor allem wenn die öffentliche Hand baut, also etwa die Stadt. »Mein Lieblingsbeispiel: Trockenbauwände. Eine einfache Sache, macht jeder Malermeister. Die Hersteller haben es geschafft, ihre relativ simple Aufgabe dermaßen zu verfeinern, dass man jetzt 30 Seiten Verarbeitungshinweise hat. Und wenn man sich nicht daran hält, übernimmt der Hersteller keine Gewähr. Jetzt müsste es einen Bauherrn geben, der sagt: Ich pfeife auf diese Hinweise, es geht ja schließlich nicht um Brandschutz, sondern nur um Trockenbauwände. Das macht der öffentliche Bauherr aber nicht, der will auf der sicheren Seite sein.« Ein banales Beispiel - nur gebe es davon Tausende andere.
Dazu komme, so Streitberger, dass man Großprojekte europaweit ausschreiben müsse und dann unter großem Druck stehe, den günstigsten Anbieter auszuwählen. Wenn dieser den Auftrag aber einmal in der Tasche habe, schicke er Nachforderungen - und die Kosten begännen zu steigen.
Zurzeit ist es sehr still auf der riesigen Opernbaustelle, und man trifft kaum einen Arbeiter, wenn man durch das Gänge-Labyrinth bis zur neu entstandenen unterirdischen Kinderoper läuft. Wann der aktive Baubetrieb wieder anlaufen wird, steht noch nicht fest. Streitberger ist noch in der Aufbauphase für sein Team. Im Frühjahr will er einen Zeitplan vorlegen, der auch ein Datum für die Wiedereröffnung nennt.
»Wichtig ist, dass es jetzt ein Gesicht gibt für das Projekt - vorher verteilten sich die Verantwortlichkeiten auf mehrere Schultern«, sagt er. »Ich halte jetzt den Kopf hin.« Machen müssen hätte er das nicht, er ist 67. »Aber ich bin jemand, der dem Ruhestand nicht ins Auge blicken kann. Ich habe gern Arbeit.« Daran dürfte es ihm in den nächsten Jahren nicht fehlen. dpa/nd
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