Medienkrise auf hebräisch

Israels Regierung streitet über eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.

Mehrere hundert Menschen haben sich vor dem Parlamentsgebäude versammelt, Journalisten, Verwaltungsmitarbeiterinnen; selbst die Bosse sind gekommen. Drinnen diskutieren die Abgeordneten derweil darüber, wie die Zukunft der öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehsender in Israel aussehen soll. »Demokratie = öffentlicher Rundfunk« steht auf Plakaten. »Über unsere Berichterstattung sind Regierungschefs gestürzt. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn uns die Regierung die Berichterstattung vorgeschrieben hätte«, sagt Vered Jiftachi Green, Journalistin beim Radiosender Reschet Gimmel.

Genau dies wollen einige in der Regierung nun über eine Strukturreform des unter einem aufgeblähten Verwaltungsapparat und ständiger Finanzknappheit leidenden öffentlich-rechtlichen Systems durchsetzen. Sie war bereits 2014 auf den Weg gebracht worden, und sollte nun zum 1. Oktober umgesetzt werden. Doch Regierungschef und Kommunikationsminister Benjamin Netanjahu brachte in der vergangenen Woche ein Änderungsgesetz auf den Weg, durch das die Reform auf 2018 verschoben worden wäre; nach einer hitzigen Debatte einigte man sich auf Anfang 2017 als neuen Termin. Geblieben ist, dass die Umsetzung von einer Nachverhandlung der Bedingungen abhängig gemacht wird. Das Problem: Im Zuge der Reform war auch die Rundfunkgebühr, Quelle steten Unmuts, abgeschafft worden, und Finanzminister Mosche Kachlon hat deutlich gemacht, dass die Staatskasse die alte staatliche Rundfunkanstalt Israels (IBA) nur noch bis Jahresende finanzieren wird.

Vorgesehen ist, dass der bisherige Senderverbund Raschut HaSchidur (bei Eurovision Song Contest-Fans als IBA bekannt) durch ein System namens »Ka'an« (»Hier«) ersetzt wird, dass sich durch Werbung und eine Zusatzabgabe zu den Kraftfahrzeugsteuern finanziert. Schon diese Pläne sind heftig umstritten: Ein Bruchteil des bisherigen Personals soll künftig drei statt wie bisher zwei TV-Programme und weiterhin acht Radioprogramme befüllen. Die angebotenen Gehälter liegen nach Gewerkschaftsangaben zu 50 Prozent unter den Löhnen bei privaten Medien. »Allein das geht an die journalistische Qualität«, sagt Avi Nissenkorn, Direktor des Gewerkschaftsdachverbandes Histadruth: »Viele etablierte Journalisten und erfahrene Verwaltungsfachkräfte haben sich nun anderswo Jobs gesucht.«

Teile der Regierung zielen indes direkt auf die Unabhängigkeit ab: Sowohl die IBA als auch »Ka'an« müssen der aktuellen Gesetzeslage nach bei personellen Entscheidungen keine Zustimmung der Regierung einholen; stattdessen soll durch die Reform ein Rundfunkrat nach deutschem Vorbild geschaffen werden. »Ein Sender, auf den wir keinen Einfluss haben, bringt uns nichts«, sagte Kulturministerin Miri Regev am Rande einer Kabinettssitzung in der vergangenen Woche. Andere Minister beklagten, unter den angeheuerten Journalisten befänden sich nicht genug Likud-Mitglieder.

Dabei geht es auch stets um den sogenannten Nakdi-Bericht aus dem Jahr 1972: Diese Richtlinien regeln das Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der in Israel unter erschwerten Bedingungen existiert: Die Gesellschaft besteht aus einer Vielzahl von weltanschaulichen und politischen Strömungen; die Richtlinien, verfasst vom Journalisten Nakdimon Rogel, sollen sicher stellen, dass Programm und Berichterstattung fair und ausbalanciert ist. Viele Rechte kritisieren den Nakdi-Bericht: »Die Verpflichtung zu einer neutralen Sprache und zum Verzicht auf Kommentare verhindert, dass die israelische Position deutlich zum Ausdruck kommt«, sagt Kulturministerin Regev, wobei »israelisch« in diesem Kontext für die Position der Rechten steht: Die palästinensischen Gebiete müssten als Judäa und Samaria bezeichnet werden; außerdem stört sie sich daran, dass in Berichten über Siedler auch im Regelfall Stellungnahmen von Siedlungsgegnern eingeholt werden.

Fürsprache bekommt die IBA allerdings von Präsident Re'uven Rivlin, einem Rechten, der für eine Einstaatenlösung eintritt: »Ohne einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk wäre Israel eine Demokratie mit Behinderung«, sagte er: »Ein solches System muss für alle sprechen, und nicht nur für eine bestimmte Gruppe.«

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