Erst die Bezirke machen eine Stadt
Am 18. September stehen auch die Bezirksverordnetenversammlungen zur Wahl
»Neukölln bleibt rot« ist in großer Schrift auf mehrere Häuserwände im Norden des Bezirks gesprüht. Das ist nicht nur der Wunsch einzelner Wähler, sondern entspricht auch den Prognosen. Trotz eines grünen Nordens und eines schwarzen Südens sehen die Voraussagen des Portals elections.de für die Abgeordnetenhauswahl die seit April 2015 amtierende Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey auf einem sicheren Posten.
Sie ist eine von neun SPD-Bezirksbürgermeisterinnen und -meistern, die bei den Wahlen im September zu den Bezirksverordnetenversammlungen ihren Posten verteidigen wollen. Ein zehnter, Matthias Höhne in Pankow, tritt nicht wieder an, schickt aber Fraktionschefin Rona Tietje ins Rennen. Friedrichshain-Kreuzberg liegt fest in den grünen Händen von Monika Herrmann, und in zwei Bezirken sitzt die CDU fest im Sattel: Reinickendorf und Steglitz-Zehlendorf.
Das lässt sich von der SPD nicht in allen Bezirken sagen. Prognosen für die Wahlen der Bezirksverordnetenversammlungen werden nicht erhoben. Aber bei den Wahlen 2011 ähnelten sich die Ergebnisse in den Bezirken für Land und Bezirke stark. Davon ausgehend, und nimmt man die Prognosen von elections.de zur Hand, die die einzelnen Wahlkreise für die Abgeordnetenhauswahl 2016 beleuchten, lassen sich Rückschlüsse ziehen. Demnach könnten Tempelhof-Schöneberg und Mitte grün werden. Auch in Pankow rücken die Grünen der SPD auf die Pelle.
In Lichtenberg wird SPD-Bezirksbürgermeisterin Birgit Monteiro von den LINKEN bedrängt. Schon 2011 hatte die Linkspartei die Mehrheit der Stimmen erzielt. Die SPD sicherte sich - damals noch mit Bezirksbürgermeister Andreas Geisel - durch eine Zählgemeinschaft mit den Grünen und der CDU den Bürgermeisterposten. Ob das nach der Wahl noch einmal klappt, ist unklar. Das hängt vom Wahlergebnis ab. Möglicherweise muss Monteiro den Platz frei machen für Evrim Sommer, die LINKE-Spitzenkandidatin in Lichtenberg ist. Auch in Marzahn-Hellersdorf wackelt die Mehrheit der sogenannten Afghanistan-Zählgemeinschaften aus SPD, CDU und Grünen.
Sicher sind der SPD voraussichtlich neben Neukölln auch Charlottenburg-Wilmersdorf und Treptow-Köpenick. In Spandau könnte es für die SPD eng werden, doch auch 2011 wurde sie durch eine Zählgemeinschaft mit Grünen und LINKEN gerettet. In allen Bezirken tritt außerdem die AfD an. In den Prognosen für die Abgeordnetenhauswahl pendelt sie zwischen acht und 14 Prozent. Ähnliche Ergebnisse in den Bezirken sind wahrscheinlich. Um einen Stadtrat zu stellen, muss die AfD zwischen zwölf und 14 Prozent erzielen.
Tatsächlich geht es bei den Bezirksverordnetenversammlungen auch um Inhalte. Bei der Vorstellung der SPD-Bezirksbürgermeisterkandidaten am Montag wurde klar, dass drei Punkte fast überall oben auf der Agenda stehen. Erstens mehr Personal für die Bezirksämter, um sich zweitens dem Thema wachsende Stadt in allen Facetten (Touristen, Zuzug, Geflüchtete, Neubau und Wirtschaftsstandort) widmen zu können sowie drittens der dringend notwendigen Schulsanierung.
Die SPD in Neukölln - »vielleicht nicht der schönste, aber der spannendste Bezirk«, so Giffey - will darüber hinaus nicht mehr 76 Prozent des Etats für Sozialleistungen ausgeben müssen, in Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf will die SPD die Jugendarbeitslosigkeit weiter senken, die Parteikollegen in Treptow-Köpenick wollen mehr Tourismus, die Friedrichshain-Kreuzberger nicht unbedingt weniger, aber einen verträglicheren.
Warum die Bezirkswahlen wichtig sind? Darauf hatte am Montag Angelika Schöttler eine Antwort, Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof- Schöneberg: »Kein Mensch wohnt in Berlin, der nicht auch in einem Bezirk wohnt.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.