Ein Biotop für das schöne Plakat

Künstler zeigen in Leipzig eine vom Aussterben bedrohte Gattung: Das politische Poster

  • Hendrik Lasch, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.

Manchmal liegt die Assoziation fast auf der Hand. »Solidarisch«, steht auf einem Plakat des Dresdner Grafikers Klaus Schmidt. Im Wort klafft indes eine kleine, aber entscheidende Lücke. In Frakturschrift ist zu lesen: »Solid arisch«. Dazu die Gestalten eines Soldaten und einer Mutter mit zwei Kindern, die so ineinander verschränkt sind, dass ihre Silhouetten ein Hakenkreuz formen. Das prägnante Motiv ist mit einem Blick erfasst; im Kopf aber hakt es sich fest und bietet viel Stoff zum Nachdenken. Jochen Fiedler ist angetan. »Eine genial Idee«, sagt der Leipziger Künstler: »Ein tolles Plakat.«

Fiedler hat ein Faible für Plakate; er war einige Jahre Chef der Sektion Gebrauchsgrafik im Verband Bildender Künstler (VBK) der DDR und Mitorganisator eines Wettbewerbs »100 beste Plakate«. An die Tradition knüpft er gewissermaßen wieder an: Gerade sind im Norden von Leipzig ebenfalls 100 beste Plakate zu sehen - ausgewählt von Fiedler und seinen Mitstreitern bei der Plattform »Plakat Sozial«. Die ostdeutsche Initiative hat sich 2009 gegründet und will der politisch, ökologisch und sozial engagierten Plakatkunst einen Raum bieten. Derzeit veranstaltet sie ihre dritte internationale Ausstellung. Die 100 zur Schau gestellten Motive wurden aus 1100 Einsendungen ausgewählt; sie stammen von 76 Künstlern aus 21 Ländern.

Die Schau ist so etwas wie ein Biotop für eine vom Aussterben bedrohte Gattung. Das künstlerisch gestaltete Plakat ist aus dem öffentlichen Leben praktisch verschwunden; selbst in den Schaukästen von Theatern ist es nur noch selten zu sehen. Plakatflächen und Anschlagsäulen gehören heute statt dessen kommerziellen Plakaten. »Ihre Sprache ist entsprechend«, heißt es resigniert im Faltblatt zur Ausstellung, in dem auch von »bildlicher Infantilisierung« die Rede ist. Wer heute auf ein Produkt oder eine Veranstaltung aufmerksam machen will, bedient sich oft genug in der Clipart-Sammlung eines Computerprogramms. Kunst geht anders.

Bei »Plakat sozial« will man sich dem entgegen stellen - wobei sich künstlerischer Anspruch mit engagierter Haltung verbindet. Auf den Plakaten geht es um Krieg und Flucht, die Zerstörung der Umwelt und Gentechnik, Finanzkrise und Kapitalismuskritik. Auch Terror ist ein häufiges Thema, wenn auch manchmal in ironischer Abwandlung. Ein Plakat aus Polen zeigt einen Mann in Shorts und Bademantel, der sich im Stil eines Selbstmordattentäters einen Sprengstoffgürtel um den fetten Leib geschlungen hat. Statt mit Dynamitstangen ist er freilich mit Bockwürsten bestückt.

Zu sehen sind die Plakate an einem Ort, der in doppelter Hinsicht alles andere als naheliegend ist: Das »Museum für Galvanotechnik« befindet sich weit im Leipziger Norden in einer Sackgasse. Zentraler gelegene Räume habe man wegen des knappen Budgets nicht gefunden, sagt Fiedler; das Sponsorengeld einer Brauerei reichte gerade, um die per Mail eingereichten Plakate ausdrucken zu können. Eigentlich aber handelt es sich doch um einen passenden Ort, sagt Grit Fiedler, die Tochter des Organisators, die selbst Plakatkünstlerin und derzeit Chefin bei »Plakat sozial« ist: Die Räume verströmten »Atelieratmosphäre«; zudem seien die Zylinder der Maschinen, mit denen einst Plakate gedruckt wurden, ebenfalls galvanisch veredelt worden. Die Entwicklung der Galvanotechnik habe dazu beigetragen, dass Leipzig zur Metropole von Druckindustrie und grafischer Gestaltung wurde.

Die Ausstellung will dazu beitragen, dass der Ruf erhalten bleibt - auch wenn Fiedler etwas betrübt anmerkt, dass die Stadtöffentlichkeit und die Verantwortlichen im Rathaus die Schau bisher nicht wahrgenommen hätten. Seit Kurzem, sagt er, gebe es aber eine neue Kulturbürgermeisterin. Wenn sich Skadi Jennicke (LINKE) eingearbeitet habe, merkt der Grafiker augenzwinkernd an, sei sie zu einer persönlichen Führung eingeladen.

Die III. Internationale Plakatausstellung ist noch bis 25. August jeweils mittwochs und donnerstags von 14 bis 18 Uhr im »Museum für Galvanotechnik« in der Torgauer Straße 76 in Leipzig zu sehen.

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