Türkei: Deutschland soll Gülen-Anhänger ausliefern
Minister Celik fordert ebenso Verbot von Unternehmen und Organisationen / Erdogan startet neue Verhaftungwelle
Düsseldorf. Der türkische EU-Minister Ömer Celik hat von Deutschland die sofortige Ausweisung von Imamen gefordert, die mit der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen in Verbindung stehen. »Es gibt Imame in Deutschland, die mit der Bewegung in Verbindung stehen«, sagte Celik der »Wirtschaftswoche« für ihre am Freitag erscheinende Ausgabe. »Wir fordern deren sofortige Ausweisung in die Türkei.« Zur Anzahl der Betroffenen und Einzelheiten des Verfahrens äußerte sich der Minister nicht.
Celik verlangte im Gespräch mit der »Wirtschaftswoche« von Deutschland auch ein »Verbot der Unternehmen und Organisationen, die der Bewegung nahe stehen«. Die türkische Regierung macht den in den USA im Exil lebenden Gülen und seine Hizmet-Bewegung für den gescheiterten Putsch vom 15. Juli verantwortlich. Nach Angaben von Regierungschef Binali Yildirim wurden im Zuge der Ermittlungen gegen mutmaßliche Gülen-Anhänger bislang mehr als 40.000 Menschen festgenommen, die Hälfte von ihnen wurde demnach angeklagt und inhaftiert.
Die in dieser Woche bekannt gewordene Einschätzung des Bundesinnenministeriums, nach der die Türkei zu einer »zentralen Aktionsplattform« für islamistische Gruppen geworden sei, wies Celik zurück. Ankara kämpfe gegen die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die Dschihadistenorganisation Islamischer Staat (IS) »und andere Terrorgruppen«, sagte der Minister. »Wir tun das aus unserem eigenen Interesse heraus, aber natürlich auch für unsere Verbündeten.«
Celik steht seit einer Regierungsumbildung Ende Mai an der Spitze des Ministeriums für EU-Angelegenheiten in Ankara. Er war zuvor Sprecher der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP. Celik bekräftigte im Gespräch mit der »Wirtschaftswoche« die Absicht der Türkei, der EU beizutreten. Ein solcher Beitritt wäre »gut für die Türkei und gut für die EU«, sagte der Minister.
Weitere Haftbefehle in der Türkei
Mit der Ausstellung von knapp 200 Haftbefehlen geht die türkische Regierung indes weiter gegen führende Unternehmen des Landes vor. Von den 187 Unternehmern, die die Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen unterstützen sollen, seien am Donnerstag 60 festgenommen worden, meldete die Nachrichtenagentur Dogan. Zudem werde deren Vermögen beschlagnahmt.
An den Razzien in 18 Provinzen waren laut Medienberichten rund tausend Polizisten beteiligt. Unter den 60 wegen »Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation« und »Finanzierung der Aktivitäten« Gülens Verhafteten sei mit Ömer Faruk Kavurmaci auch der Chef der Aydinli-Gruppe, meldete Dogan. Das Bekleidungsunternehmen hat demnach 476 Geschäfte in 39 Ländern. In Kavurmacis Büro seien Bücher Gülens und eine von dem Prediger verliehene Plakette gefunden worden.
Auch gegen den Präsidenten des türkischen Unternehmerverbandes Tüskon, Rizanur Meral, wurde laut der Nachrichtenagentur Dogan ein Haftbefehl ausgestellt. Der 2005 gegründete Verband hat 55.000 Mitglieder. Der Erfolg der türkischen Wirtschaft beruht größtenteils auf großen Familienunternehmen. Türkische Ermittler hatten bereits am Dienstag dutzende Unternehmen in der Wirtschaftsmetropole Istanbul durchsucht und etwa hundert Menschen verhaftet.
Unterdessen beantragte die Türkei offiziell die Auslieferung der acht türkischen Offiziere, die während des Putschversuchs nach Griechenland geflüchtet waren. Dies verlautete am Donnerstag aus Diplomatenkreisen in Athen. Am Freitag haben zwei der Offiziere ihre erste Asylanhörung. Die türkische Regierung sieht die acht Soldaten als »Verräter« an. Diese bestreiten jegliche Beteiligung an dem gescheiterten Putsch. AFP/nd
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