Freiheit ist immer die Freiheit des Preisgeldgebers

Die Kunstausstellung »Common Affairs« zeigt das, was passiert, wenn Kunst und Geld zusammenkommen

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 4 Min.

Von Tom Mustroph

Die Ausstellung »Common Affairs - zeitgenössische Kunst in Polen« ist ein interessantes Beispiel für die Potenziale und die Gefahren der Verknüpfung von Wirtschaft und Kunst.

Gesellschaftskritik ist Trumpf in der Ausstellung »Common Affairs«. Auf einer großen Leinwand sieht man arbeitslose Bergarbeiter ein kümmerliches Lagerfeuer anzünden und darüber sinnieren, wessen kaputte Gliedmaßen demnächst in einem schönen neuen Sarg landen werden. Die Künstlerin Anna Molska hat den ehemaligen Bergleuten Worte aus Gerhard Hauptmanns Arbeitskampf-Drama »Die Weber« in den Mund gelegt. Das verleiht den schlaffen Gesellen etwas Widerständiges. Dass ihre Arbeit ausgerechnet im Ausstellungsbau der Deutschen Bank ihren Platz findet, entbehrt nicht der Ironie. Welches polnische Bergwerk hat wegen deutschen Investoreninteressen, nicht selten finanziert von der Deutschen Bank, nicht alles schließen oder zumindest die Belegschaft verkleinern müssen?

Die Frage, welche landwirtschaftliche Kooperative durch deutsches Geld in den Ruin getrieben wurde, stellt sich beim Betrachten der großen Leuchtschrift »Neues Leben« (Nowie Zycie), die die Künstlerin Elzbieta Jablonska von eben einer solchen längst nicht mehr existenten Kooperative erwarb und die ebenfalls monumentales Teil der Schau ist.

»Common Affairs« ist eine ganz fette Siegerperspektive eingeschrieben. Vom Kunstraum der Deutschen Bank Unter den Linden aus schaut man auf die Hinterlassenschaften der sozialistischen Ordnung. Fairerweise muss man sagen, dass sich der Blick der Kunstabteilung der Deutschen Banker nicht auf die Siegerperspektive beschränkt. Seit 2003 schreibt das Haus den mittlerweile wichtigsten polnischen Kunstpreis »Views Award« aus. Für die staatlicherseits lange vernachlässigte zeitgenössische Kunstszene war das ein wichtiger Impuls. Mit Arbeiten der Preisträger ist auch diese Ausstellung bestückt.

Dass sich die Bank im begleitenden Katalog aber gleich zur Verteidigerin der freien Kunst ernennt, ist eine weitere ironische Volte dieser Schau. Zu Recht verweist der Katalog auf die zunehmende nationale Orientierung der staatlichen Kulturpolitik unter der aktuellen nationalpopulistischen Regierung. Polens Außenminister Witold Waszczykowski etwa erschreckte die Leiter der polnischen Kulturinstitute mit der Ankündigung, dass diese Institute in Zukunft mehr den nationalen Interessen Polens und auch der jeweiligen polnischen Minderheit in den einzelnen Ländern dienen und dabei die 1050. Wiederkehr der Taufe Polens angemessen ins Programm holen sollten.

Gegen solcherart politische Indienstnahme von Kunst und Kultur empfindet sich die Deutsche Bank dank ihres Kunstpreises »Views Award« als richtig widerständige Institution. Bei allem Respekt: Freiheit der Kunst garantiert solch ein Preis allein sicher nicht. Allenfalls macht er Abhängigkeiten weniger monolithisch und setzt der staatlichen Kunstpolitik ein kleines Korrektiv entgegen.

Selbst wenn sich die Künstler sehr um die Freiheit bemühen - so richtig frei will die Kunst im Bankhauskontext nicht werden. Rafal Jakubowicz etwa meißelte als Preisträger 2007 die Lettern und das Logo des Geldgebers Deutsche Bank aus einer weiß gestrichenen Wand heraus. Dann verspachtelte und übermalte er die Hohlräume, so dass nur noch eine Ahnung des Deutsche-Bank-Logos erhalten blieb - ähnlich der Ahnung, die man von den Aktivitäten der Deutschen Bank zur Zeit der Besetzung Polens und auch nach dem Mauerfall haben konnte. Resultat der Erinnerungsübung ist aber, dass die feine kritische Kunst nun Beleg für die Großzügigkeit und Kritikfähigkeit des Preisgeldgebers wird.

Es ist eben ein vertracktes Feld, wenn Kunst und Geld zusammenkommen. Ganz vorbehaltlos genießen kann man zumindest den Film »The Best Gallery« der Gruppe Azorro. Die vier Gruppenmitglieder dokumentierten bei ihrer Suche nach einem Ausstellungsraum in Berlin im Jahre 2002 auch, wie sie bei den Kunstkuratoren der Deutschen Bank abblitzten. Einen hübschen Schlag hinein ins aufgeblasene Ego der Berliner Kunstszene landete in dem Video eine Passantin. Für sie sind »die beste Galerie Berlins« die Galeries Lafayette. Prächtig! Passenderweise befindet sich das stilvolle Shoppingareal gleich um die Ecke, unweit der Kunsthalle der Deutschen Bank. Es kommt einfach immer wieder zusammen, was zusammengehört.

Bis 30.10., Deutsche Bank-Kunsthalle und Polnisches Kulturzentrum

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