Noch mehr geheime Absprachen in Stuttgart
Grüne und CDU planen hinter den Kulissen die Streichung von 5000 Stellen im Landesdienst
Ulm. Das Bekanntwerden weiterer Nebenabsprachen zum Koalitionsvertrag treibt Baden-Württembergs grün-schwarze Regierung zunehmend in die Defensive. Nebenabreden seien grundsätzlich nichts Verwerfliches, heißt es in einem Schreiben von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und CDU-Landeschef Thomas Strobl vom Samstag an die Mitglieder ihrer Landtagsfraktionen. «Die Nebenabreden beweisen, dass wir es sehr ernst meinen mit dem Sparen». Bereits Mitte Juli waren geheime Nebenabsprachen von Grün-Schwarz bekanntgeworden. Nun berichtet die «Südwest-Presse» erneut über geheime Vereinbarungen. Darin geht es der Zeitung zufolge unter anderem um den Abbau von 5000 Stellen sowie eine Erhöhung der Grunderwerbssteuer um 1,5 Punkte auf 6,5 Prozent. In dem Brief der beiden Koalitionschefs heißt es, Demokratie brauche zwar Transparenz. «Aber Demokratie braucht auch Vertraulichkeit und geschützte Räume, sonst ist sie nicht funktionsfähig.» Die Landesregierung könne nicht ihre internen Verhandlungsstrategien öffentlich machen. Die Koalitionspartner zählen auf, welche «denkbaren Instrumente der Haushaltskonsolidierung» sie in dem Papier identifiziert hätten. Unter anderem ist die Rede von Eingriffen in Besoldung und Pensionen, einem Stelleneinsparprogramm, einem Konsolidierungsbeitrag der Kommunen und einer mögliche Erhöhung der Grunderwerbsteuer.
Die Opposition im Landtag reagierte empört: Sie warf Kretschmann einen schlechten Regierungsstil vor und kritisierte, er führe die Öffentlichkeit hinters Licht. SPD und FDP halten einen Untersuchungsausschuss für denkbar. «Das ist nicht ausgeschlossen, muss aber gründlich geprüft werden», erklärte die SPD-Landesvorsitzende Leni Breymaier. Vom Vorsitzenden der FDP-Landtagsfraktion, Hans-Ulrich Rülke, hieß es: «Zunächst wollen wir Aufklärung auf parlamentarischem Wege.» Sollte das nicht ausreichen, schließe die FDP einen Untersuchungsausschuss nicht aus, so Rülke.
Wie die «Südwest Presse» weiter berichtet, verpflichteten sich Kretschmann und Strobl in dem Zusatzdokument zu strukturellen Maßnahmen. Diese sollen in der Endstufe bis 2020 zu Einsparungen von dauerhaft 1,8 Milliarden Euro jährlich führen. Dem Zeitungsbericht zufolge sollen Eingriffe bei der Beamtenbesoldung« und eine »moderate Absenkung« der Pensionen den Etat um 550 Millionen Euro jährlich entlasten. Die Kommunen sollen einen »Konsolidierungsbeitrag« von bis zu 300 Millionen Euro pro Jahr leisten. Die Pläne umfassen auch die Streichung von 3500 Stellen im Landesdienst; durch die Einführung von Lebensarbeitszeitkonten sollen weitere 1500 Stellen abgebaut werden.
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