Komet über Berlins Mitte
Das Naturkundemuseum zeigt eine Ausstellung zur Kometenforschung. Im Mittelpunkt steht der Flug der europäischen Sonde »Rosetta« zum Schweifstern Tschurjumow-Gerassimenko.
Berlin ist eigentlich ein ausgesprochen schlechter Platz für Astronomie. Die allgegenwärtige Beleuchtung überstrahlt vieles, was am nächtlichen Himmel zu sehen wäre. Ob Sternschnuppen wie am Wochenende oder Kometen - innerhalb der Stadt ist davon wenig zu sehen. Doch ein Besuch im Berliner Naturkundemuseum kann Abhilfe schaffen. Dort ist seit vergangener Woche eine vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Max-Planck-Gesellschaft konzipierte Sonderausstellung zur europäischen Kometenmission »Rosetta« zu sehen. Und damit man eine Vorstellung von der Größe solcher kosmischer Objekte bekommt, steht im Mittelpunkt der Ausstellung ein auf den Umrissen des Berliner Stadtbezirks Mitte platziertes großes Modell des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko.
Der leicht an eine Badeente erinnernde zerklüftete Kometenkörper ist hier auf ein Tausendstel verkleinert nachgebildet und bedeckt dennoch fast die gesamte Fläche des Stadtbezirks. Man mag sich den Einschlag eines solchen mehrere Kilometer messenden Trumms auf der Erde gar nicht vorstellen. Die auf dem Weg zur Ausstellung passierten Dinosaurierfossilien des Museums waren ja einst Zeugen einer solchen Naturkatastrophe.
Der oft verkürzt »Tschuri« genannte Komet war das Ziel der 2004 gestarteten Sonde »Rosetta« der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA. Im Herbst 2014 hatte die Sonde den Kometen erreicht und begleitet ihn seither auf seinem Flug um die Sonne. Huckepack reiste der unter Federführung der DLR entwickelte und gebaute Lander »Philae«, der am 12. November 2014 auf dem Kometen aufsetzte. Ein Modell in Originalgröße ist in der Ausstellung zu sehen. Das Original war nach mehreren ungeplanten Hopsern über den Kometen erst mal verschollen. In Sonnennähe bekam die Sonde noch mal einige Sonnenstrahlen ab und meldete sich kurz, verstummte dann aber endgültig. Mit dem Radar der Muttersonde wurde »Philae« zwar inzwischen auf 20 Meter genau geortet, doch auf den hochaufgelösten Fotos von der Kometenoberfläche konnte er bisher nicht zweifelsfrei identifiziert werden.
Dass es nicht reicht, das Pulver trocken zu halten, wie das geflügelte Wort empfiehlt, zeigt die Geschichte der nur halb gelungenen ersten Landung auf einem Kometen. Denn der Grund dafür, dass das Landegerät »Philae« sich nicht gleich beim ersten Aufprall fest verankern konnte, ist in einer kleinen Vitrine neben dem Modell des Landers zu besichtigen: die Harpunen, die sich bei der Landung in den Kometenboden bohren und die Sonde dort fest verankern sollten. Wie der DLR-Projektverantwortliche Stephan Ulamec zu berichten weiß, war die Abschussvorrichtung der Harpunen mit Schießbaumwolle geladen. Doch offenbar war die über zehn Jahre währende Gefriertrocknung dem Material nicht zuträglich. Jedenfalls zündeten die Harpunen nicht. Und so landete »Philae« nicht einmal, sondern gleich mehrmals. Und blieb nach seinen Hopsern dann leider nicht am geplanten Ort, sondern geriet in eine für die Energieversorgung zu schattige Ecke der Kometenoberfläche. Mit der Energie seiner Batterie konnte der Lander immerhin 64 Stunden lang Daten übertragen. Glücklicherweise erging es der Muttersonde »Rosetta« besser. Deren Messinstrumente und Kameras funktionieren bis zum heutigen Tag bestens, wie viele der großformatigen Fotos in der Ausstellung beeindruckend vor Augen führen.
Während die moderne Forschung sich für die Kometen vor allem deshalb interessiert, weil in ihnen Reste des ursprünglichen Baumaterials unseres Sonnensystems vermutet werden, faszinierten Kometen in früheren Jahrhunderten mehr durch ihren leuchtenden Schweif, der sich zeigte, sobald sie sich der Sonne näherten. Das unerwartete Auftauchen solcher Kometenschweife galt als Vorbote von irdischen Katastrophen. Die Ausstellung zeichnet natürlich auch die Geschichte der Erforschung der Kometen nach - von ersten Theorien in der Antike über die Bahnbeobachtungen von Edmond Halley. In der Reihe der Kometenentdecker finden sich bereits ab dem 18. Jahrhundert mit Maria Kirch (1670-1720) und Caroline Herschel (1750-1848) auch Frauen, die - anders als in mancher Wissenschaftsgeschichte - in der Ausstellung gebührend berücksichtigt werden.
Manch frühere Ansicht über das Wesen der Kometen hat der Kometenbesuch von »Rosetta« und »Philae« bereits umgestürzt. So etwa die Vorstellung vom »schmutzigen Schneeball«. Denn zumindest für »Tschuri« gilt das umgekehrte. Mit sechs Teilen Staub auf ein Teil Wasser ist er eher ein vereister Schmutzhaufen. Und auch die Annahme, das Wasser auf der Erde komme von den Kometen, wackelt. Denn die von »Rosetta« gemessene Wasserzusammensetzung auf dem Kometen weicht von der auf der Erde zu stark ab. Die Sonde sendet noch bis zum 30. September Bilder zur Erde. Dann wird sie gezielt auf dem Kometen zum Absturz gebracht.
Bis 24.1. 2017, Museum für Naturkunde, Invalidenstraße 43, Mitte.
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